Das sollten Sie lesen
Von Daniela Krien bis zu fränkischem Kellerbier: Unsere Buchtipps für Oktober 2024
15 Bilder 1.10.2024, 18:00 UhrSie ist über 80, alle Achtung, und startet jetzt voll durch: Nach dem Erfolg ihrer Short-Stories "Kleine Kratzer" legt die Britin Jane Campbell einen ersten Roman vor - und auch hier kennen Gefühle kein Alter. Bei der Hochzeit ihrer Tochter bekommt Agnes einen Brief, der ihr Leben verändert. Ihre Eltern verunglückten früh bei einem Autounfall, die Mutter konnte ein pikantes Detail nie mitteilen, nämlich: den richtigen Vater. Warum hat Onkel Malcolm das Familiengeheimnis so lange gehütet? Witzigerweise kennt Agnes ihren Erzeuger schon... es ist ihr Psychotherapeut! "Bei aller Liebe" ist so clever und charmant konstruiert wie ein Ian McEwan, aber um einiges emotionaler. Eine herzerwärmende Überraschung! (Kjona, 24 Euro) Wolf Ebersberger © Kjona Verlag; Iryna Bakurskaya/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Es ist Nationalgetränk, Feierabendgarant und flüssige Ernährung in einem: das Bier. Im Cadolzburger Verlag Ars Vivendi ist jetzt "Das Buch zum Bier" von Uwe Ebbinghaus erschienen. In Reportagen, Interviews und kurzen Essays erzählt er dabei die Geschichte des Getränks bis in die Gegenwart. Dafür besucht er verschiedene Bierstädte. Für Franken besonders spannend dürfte sein Besuch in Bamberg sein. Zwischen Rauchbier und Seidla lernt der Leser unter anderem dank eines Bier-Sommeliers, welches Essen perfekt zu welchem Gebräu passt. Ein schönes Geschenk für Liebhaber, am besten natürlich mit einem Kasten fränkischem Bier. (22 Euro) Marlene Weyerer © ars vivendi; betexion/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Außergewöhnliche Mutter-Tochter-Beziehungen haben Ulrike Draesner zuletzt schon in "Die Verwandelten" interessiert. "Mama, du bist mein Erdgeschoss" - dieser Satz ist nun ein Schlüsselmoment in ihrem neuen, zutiefst persönlich grundierten Buch "zu lieben". Darin erzählt sie von der Adoption ihrer Tochter, einem kleinen Mädchen aus Sri Lanka. Welche Formen von Familie sind möglich? Hält ein Paar der aufreibenden Prozedur der Elternwerdung, den Blicken der Gesellschaft stand? Und - am wichtigsten - wie kann eine Liebe entstehen zwischen Mutter und Kind? Draesner erzählt und reflektiert darüber mit großer Nahbarkeit – und zwischen den Zeilen ist Raum für eigene Gedanken zum Thema. (Penguin, 24 Euro) Birgit Nüchterlein © Penguin; JeroenKetelhaven/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Eine Frau verliert ihr Kind - es ist das wohl Schlimmste, was einer Mutter passieren kann. Und so hat man als Leser(in) auch erst etwas Scheu, den Roman "Mein drittes Leben" von Daniela Krien in die Hand zu nehmen. Doch man wird schnell gefangen von der Protagonistin Linda, die nach dem Unfalltod ihrer Tochter irgendwie weiter macht und aus der tiefsten Verzweiflung langsam zurück ins Leben findet. Es ist ein unendlich trauriges und zugleich sehr lebensbejahendes Buch. Ein berührender Roman übers Weitermachen - von der ersten bis zur letzten Seite. (Diogenes, 26 Euro) Sabine Ebinger © Diogenes; PIRO/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Wir gestehen: Wenn Denis Scheck bei der Sichtung der monatlichen Bestseller-Listen die Spreu knallhart vom Weizen trennt und Bücher von Sebastian Fitzek oder anderen Zeilenschändern kühl in die Tonne wirft - haben wir ihn noch lieber als sonst! Warum schreddert er sie nicht auch noch? Jetzt endlich gibt es seine Urteile aus der ARD-Sendung "Druckfrisch" auch als Buch. "Schecks Bestseller-Bibel" versammelt dabei nicht nur Lob und Verrisse aus nunmehr 20 Jahren, sondern kommentiert rückblickend auch den literarisch-historischen Kontext. Mit Scheck zahlt man nie drauf... (Piper, 28 Euro) Wolf Ebersberger © Piper; Pexels/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Willi Winkler legte gerade nicht nur eine Doppelbiografie der Freunde Henry Kissinger und Siegfried Unseld vor, er glänzt auch als Übersetzer - um uns an den Engländer Aldous Huxley ("Schöne neue Welt") und seine literarische Vielfalt zu erinnern. Mit "Along the Road", 1925 verfasst, aber nie auf Deutsch zu haben, ist Huxley nun auch als Reiseautor zu entdecken, der ebenso kundig wie amüsiert über den Palio-Trubel im toskanischen Siena oder die Bildwelt des Malers Brueghel schreibt. Ach ja: "Alle Touristen pflegen eine Illusion, von der sie auch noch so viel gegenteilige Erfahrung nicht abbringen kann", heißt es da klug, "sie glauben, dass sie auf ihrer Reise Zeit finden würden, ganz viel zu lesen." (Rowohlt, 25 Euro) Wolf Ebersberger © Rowohlt; NoName_13/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Nein, ein Traumpaar waren sie nie. Dazu stritten und trennten, quälten und hintergingen sie sich zu oft. Und doch sind ihre beiden weltberühmten Namen eng miteinander verknüpft: Marlene Dietrich, die deutsche Diva in Hollywood, und Erich Maria Remarque, der Lebemann und Erfolgsautor ("Im Westen nichts Neues"), hatten was ganz Enges miteinander. Thomas Huetlin dröselt diese Amour fou in seinem lesenswerten Buch "Man lebt sein Leben nur einmal" detailreich, amüsant und tragisch auf, spürt diskret der Liebe und den Affären nach. Es war ein wilder erotischer Trip zwischen Europa und Amerika, bis auch die beiden am eigenen Leib spüren mussten, wie der Schrecken über der Welt heraufzieht. (Kiepenheuer & Witsch, 24 Euro) Bernd Noack © Kiepenheuer & Witsch; nunyvega/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Dieser Titel klingt so freundlich: "Im Morgenlicht", aber die Geschichte ist schaurig. Die Amerikanerin Téa Obreht beschreibt eine Welt, die im Wasser versunken ist. Der Klimawandel hat knallhart zugeschlagen, Kriege und Krisen haben auch die Menschen zu Flüchtlingen gemacht, die bisher in einigermaßen friedlichen und wohlhabenden Gegenden zuhause waren. Heldin des Romans ist ein Mädchen im Teenageralter. Sie wächst in dieser Düsternis auf, die ihr vertraut und fremd zugleich ist. Am Ende wird sie einen Platz jenseits der Dunkelheit finden. Damit steht sie für die Zukunft - und die Hoffnung, dass es mit der Menschheit doch irgendwie weitergeht... Oder gehen könnte. (Rowohlt, 25 Euro) Gabi Eisenack © Rowohlt; Nicolas Bschor/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Joseph Roth und Paris sind die Fixpunkte in "Trotta und ich" des österreichischen Schriftstellers Christoph W. Bauer, der sich in den heutigen Straßen der Seine-Stadt auf die Suche nach nicht erlebten Vergangenheiten begibt. Immer wieder schaut ihm da der tragische Leutnant Trotta über die Schulter, die Hauptfigur in Roths Romanen über den Untergang der Monarchie. Aber es gibt in diesen leichtfüßigen und klugen Pariser Depeschen, Reportagen und Porträts noch eine ganze Reihe anderer berühmter Autoren, die durch die Straßen, Cafés und Hotel geistern: Beckett, Duras, Prévert, nicht zuletzt Heine erscheinen als Begleiter in der Gegenwart und führen zu verborgenen Orten. Ein nostalgischer Stadtführer. (Haymon, 22,90 Euro) Bernd Noack © Haymon; Gerhard Bögner/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Diese Geschichte liest sich wie ein Märchen. Vater und Mutter lieben sich so innig, dass für die kleine Tochter kein Platz in ihrem Leben ist. Als ein Schwesterchen geboren wird, ändert sich für das Mädchen alles, die Einsamkeit hat ein Ende. Die Kinder sind unzertrennlich, wachsen in ihrer eigenen Welt auf. Schön harmonisch wäre das alles, wenn sich nicht immer wieder die Realität dazwischenwerfen würde – in Form von Alkoholexzessen und Suiziden. "Das Buch der Schwestern" von Amelie Nothomb steckt voller Überraschungen – guter und schlechter. Die Belgierin erzeugt eine erzählerische Leichtigkeit, aber geht faszinierend weit in die Tiefe. (Diogenes, 23 Euro) Gabi Eisenack © Diogenes; Montage: Sabine Schmid
Natürlich ist das Etikettenschwindel - aber erkenntnisreich! "111 Action-Szenen der Weltliteratur" handelt eben nicht von Mord und Totschlag, Sex & Crime in alten Büchern, sondern von immer wieder überraschenden Episoden im Leben ihrer Autoren, die hier - pars pro toto - beleuchtet werden. So wird der Leser dieser biografischen Schnappschüsse (die in der "Welt" als Serie erschienen) Zeuge, wie sich James Joyce auch als Sprachlehrer in Triest ziemlich irisch zuschüttet, wie Arthur Conan Doyle anders als sein rationaler Sherlock Holmes spiritistisch bei Séancen sitzt oder Mark Twain trotz Cholera-Epidemie heimlich vom Kreuzschiff schlüpft, um Athen zu sehen: Abenteuer, die anstecken! (Andere Bibliothek, 26 Euro) Wolf Ebersberger © Andere Bibliothek; Mats Trägårdh/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Gewiss, Gert Ueding war nicht dabei. Aber wie sich da in den frühen 70ern mitten in Tübingen, oben in der Buchhandlung der rührigen alten Julie Gastl, diese drei deutschen Geistesgrößen - der grübelnd paffende Philosoph Ernst Bloch, der wild gestikulierende Autor und Rhetorikprof Walter Jens sowie der jüdische Literaturwissenschaftler Hans Mayer, cool und schwul - abends immer wieder miteinander trafen, um zu essen, zu denken und zu diskutieren, das beflügelt Uedings Fantasie doch nachhaltig! Sein Buch "Bloch, Jens und Mayer" mag reine Spekulation sein, ein akademischer Rausch, der vor Papier und Bildung nur so raschelt: Der Leser gewinnt dennoch schöne Einsichten, in Kopf wie Herz. (Kröner, 25 Euro) Wolf Ebersberger © Kröner; Engin Akyurt/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Eine junge Frau, die zufällig eine Gewaltszene beobachtet, eingreift - und für ihren Mut gnadenlos bestraft wird. "Yoko", der neue Thriller von Bernhard Aichner, startet furios. Wie bei seiner "Totenfrau"-Trilogie, die mit Anna Maria Mühe in der Hauptrolle verfilmt wurde, steht auch hier eine Frau im Mittelpunkt, die in einer Grenzsituation über sich hinaus wächst. Yoko legt sich mit der chinesischen Mafia an, geht über Leichen und kämpft gegen ein lang verdrängtes Trauma. Hier wird nicht gemordet, hier wird gemetzelt. Das Buch ist hart, brutal, spannend. Warnung: Nichts für schwache Nerven! (Wunderlich, 23 Euro) Sabine Ebinger © Wunderlich; Farshid Mahbub/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Italien ist dieses Jahr Gast der Frankfurter Buchmesse, und da darf die aparte Stimme der in Mailand lebenden und italienisch schreibenden Schweizerin Fleur Jaeggy nicht fehlen. Ihr kleiner Roman "Proleterka" ist der ideale Einstieg in ein exzentrisches Werk, das nur wenige Worte braucht. Hier für die Geschichte eines Mädchens, das mit seinem Vater, einem verarmten und moribunden Fabrikanten, eine Kreuzfahrt nach Griechenland macht - und, dank der Besatzung, ihre ersten erotischen Erfahrungen. Wie eisig das schillert! Liebe, wusste schon Fassbinder, ist kälter als der Tod... (Suhrkamp, 13 Euro) Wolf Ebersberger © Suhrkamp; Jana/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Über die Bahn, namentlich die deutsche, zu schimpfen, ist schick und meist berechtigt. Die in Berlin lebende amerikanische Autorin Millay Hyatt tut es in ihrem Buch "Nachtzugtage" nicht. Sie hat zwar auf ihren endlosen Reisen auf Schienen nicht nur Schönes erlebt, aber all die Stunden in Abteilen und Schlafkojen haben sie so fasziniert und geprägt, dass sie auf Bashing gerne verzichtet. Hyatt erzählt von Begegnungen, von Menschen auf Bahnhöfen und in rollenden Hotels, von bequemen oder auch mal quälenden Strecken zwischen Berlin und Tiflis, Istanbul und Valencia. Zum Schlafen kommt sie in den Nachtzügen selten, zum Protokollieren dafür umso mehr – das wiederum kommt uns lesend sehr zugute! (Friedenauer Presse, 24 Euro) Bernd Noack © Friedenauer Presse; Sunoj Rajan/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid