Mangolds Taxiruf

Wie ich auf einem verdreckten Autobahnklo das Service-Versprechen von Onlineportalen durchschaute

19.2.2022, 06:21 Uhr
Mach's doch selber: Macht leider in bestimmten Situationen gar keinen Spaß mehr.

© imago images/Panthermedia Mach's doch selber: Macht leider in bestimmten Situationen gar keinen Spaß mehr.

Für mich und sicher auch für viele andere hat der Begriff „Homeoffice“ ja noch einen ganz anderen Sinn bekommen als die Verlagerung des Jobs an den heimischen Schreibtisch in Coronazeiten. Als Taxifahrer wäre ein Transfer dieser Art bei mir sowieso nicht möglich, gleichwohl verbringe auch ich immer mehr Zeit in den eigenen vier Wänden und mache Büroarbeit.

Wie kommt’s? Nun, ich bin inzwischen mein eigener Banker, tätige Überweisungen und speichere Kontoauszüge ab, erhöhe das Limit meiner Kreditkarte und entwickle einen Einzahlungsplan für meinen Aktienfonds.

Viele sind am Computer längst zu einem Sekretär ihrer selbst geworden.

Viele sind am Computer längst zu einem Sekretär ihrer selbst geworden. © Sina Schuldt, dpa

Ich bin mein eigener Krankenkassenmanager und reiche Kostenvoranschläge für Zahnbehandlungen ein. Meinem Energieversorger übermittle ich meine Verbrauchsdaten und ich verfolge den Weg meiner Pakete online.

Wer im Homeoffice ausdruckt, muss natürlich auch die Druckkosten selber tragen.

Wer im Homeoffice ausdruckt, muss natürlich auch die Druckkosten selber tragen. © imago images/Steinach, NNZ

Außerdem drucke ich Fahrkarten der Bahn am heimischen Drucker aus und verbrauche dafür ebenso eigene Tinte und Papier wie bei Kino- oder Theaterkarten. Kurzum: Ich bin inzwischen auf so vielen unterschiedlichen Onlineportalen zugange, dass ich mich in einen Sekretär meiner Selbst verwandelt habe.

Im Homeoffice kommt der Strom zwar aus der Steckdose - aber kostet halt auch Geld.

Im Homeoffice kommt der Strom zwar aus der Steckdose - aber kostet halt auch Geld. © Fernando Gutierrez-Juarez/dpa-Zentralbild/dpa/Illustration

Alle diese Institutionen werben damit, dass ihr Online-Angebot ein Service für mich, den Kunden, sei. Ich habe da aber meine Zweifel. Denn erstens habe ich nicht den Eindruck, als Bürojobber in eigener Sache schneller voranzukommen – denn jedes dieser Onlineportale führt ein seltsames Eigenleben, das häufig deutlich mehr Zeit als gedacht beansprucht. Zweitens bleibe ich auf den Materialkosten sitzen: Druckerpatronen sind teuer, Papier braucht es auch, und wenn eines meiner technischen Geräte einen Defekt hat, dann ist das allein mein Problem.

Erst vergisst man am Computer die Zeit, und dann vergisst man, was man in der ganzen Zeit eigentlich getan hat.

Erst vergisst man am Computer die Zeit, und dann vergisst man, was man in der ganzen Zeit eigentlich getan hat. © Sina Schuldt/dpa

Drittens erlebe ich nichts, wenn ich all diese Arbeiten zu Hause erledige. Ich klebe an meinem Schreibtisch und frage mich hinterher, wohin eigentlich die Stunden gegangen sind und was ich eigentlich gemacht habe. Deshalb finde ich diese Art von Serviceangebot ganz schön hinterhältig: die Unternehmen und Institutionen sparen Personal und Infrastrukturkosten, die Arbeit mache ich.

Immer mehr läuft online - während Unternehmen und Institutionen Kosten sparen.

Immer mehr läuft online - während Unternehmen und Institutionen Kosten sparen. © Felix Kästle/dpa

Doch merkt das jemand? Mir gingen die Augen auf, als in der Klokabine einer Autobahnraststätten-Toilette einen Aufkleber entdeckte, auf dem stand: „Unser Service für Sie: Desinfizieren Sie Ihre Klobrille selbst!“ Okay, dachte ich, das also meint „Service“ heute: man darf all die Drecksarbeit selber machen - und das wird einem dann als lukratives Angebot verkauft.

Angesichts des ziemlich abschreckenden Zustands von besagter Klobrille verkniff ich mir diese Art von Service – und tröstete mich mit dem Gedanken, dass in meinem Homeoffice wenigstens das stille Örtchen wirklich still – und sauber ist.

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