Neuauflage des 2CV-Transporters

Citroën Berlingo Fourgonnette: Hommage an die Kasten-Ente

Ulla Ellmer

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4.5.2023, 12:50 Uhr
Zwei Mal Fourgonnette: Links der Berlingo im Retro-Look, rechts die ursprüngliche "Kasten-Ente".  

© Hersteller Zwei Mal Fourgonnette: Links der Berlingo im Retro-Look, rechts die ursprüngliche "Kasten-Ente".  

Früher war alles besser? Nun ja. Charmant sieht sie zweifellos aus, die betagte „Kasten-Ente“, ein bisschen gebrechlich, eine automobile Großmutter auf rührend schmalen Rädchen. Aber auch: Keine Kopfstützen, keine Sicherheitsgurte, der Blinkerhebel von beängstigend nachgiebiger Konsistenz, die drei Gänge (plus Sportgang!) mühselig über ein langes Steckerl einzulegen, nach dem Starten des Zweizylindermotors durchwehen Abgasschwaden die Frühlingsluft. Wir gehen das Abenteuer einer Ausfahrt an und tuckern vorsichtig durchs Umland des hessischen Dreieichs, voller Sorge, dass uns jemand in die Flanke rauschen könnte, denn so frugal und klapprig der alte 2CV-Lieferwagen wirkt, so ist er doch eine ideelle Kostbarkeit.

Traurig sind wir nicht, als wir ans Ende unserer 20-Kilometer-Runde gelangen und die Fourgonnette in die Sicherheit der Parklücke rangieren, unter kraftraubendem Einsatz der Oberarmmuskulatur, denn natürlich hilft dabei keine Servolenkung, echte Arbeit also.

Hochdach-Kombi im Retro-Gewand

Die Tour mit einem solchen Oldie ist eine heilsame und jegliche Anflüge nostalgischer Wehmut effektiv therapierende Erfahrung. Denn nein, früher war eben nicht alles besser. Doch das Kasten-Enten-Flair gibt es jetzt auch in modern: Neben der historischen Fourgonnette – was übrigens so viel wie „Kästchen“ bedeutet – parkt schon die Neue. Der Citroën 2CV dient ihr nicht mehr als Basis, wie auch, mit der legendären „Ente“ ist es seit 1990 vorbei, speziell für die seit 1951 gebaute Lieferwagen-Variante Fourgonnette AU (U für „Utility) kam das Aus schon 1978. Tatsächlich ist es der Hochdachkombi Berlingo, der hier im Vintage-Kleid steckt, und er bringt alles mit, was man sich heutzutage wünscht - vom Infotainment mit Navi bis hin zu Fahrassistenten und kompletter Sicherheitsausstattung.

So wagemutig wie die Ur-Fourgonnette muss sich der Retro-Berlingo nicht mehr in die Kurve legen.

So wagemutig wie die Ur-Fourgonnette muss sich der Retro-Berlingo nicht mehr in die Kurve legen. © Hersteller

Das Unterfangen, den Berlingo zum Retro-Mobil umzugestalten, verwirklicht der norditalienische Karosseriebauer Fabrizio Caselani, der dazu mit dem Designer David Obendorfer zusammengearbeitet hat. „Unsere eigenen Designer haben die Arbeit genau im Auge behalten“, sagt Citroën-Designchef Pierre Leclercq. Caselani ist passionierter „Citroënist“, das erste Fahrzeug seiner Mutter war ein 2CV, zur umfangreichen Fahrzeugsammlung des Autospezialisten gehört unter anderem eine Rallye-Ente. Obendorfer wiederum hat früher Boote für die Edelmarke Riva entworfen.

Der Berlingo ist nicht der erste Citroën, den das Team auf historisch trimmt, die Caselani-Manufaktur im lombardischen Sospiro entlässt bereits den Typ H auf Basis des Jumper auf die Straße, der oftmals als Food Truck, Espressomobil oder Ähnliches zum Einsatz gelangt, ein weiteres Vintage-Mobil ist der HG für Jumpy/Space Tourer.

Den Berlingo befreite das Caselani-Team zunächst von Motorhaube, Kotflügeln sowie Schürze und ersetzte diese Anbauteile durch eigene Glasfaserkomponenten. V-förmig verjüngt sich die geriffelte Motorhaube nun nach unten, in Richtung eines voluminösen Klassik-Kühlergrills mit verchromtem Doppelwinkel. Die stilgerecht kugelrunden Scheinwerfer im Enten-Look stammen übrigens vom Jeep Wrangler, einem anderen Mitglied der Stellantis-Familie. Auch die Flanken, die hinteren Türen und das Dach des Berlingo Fourgonnette sehen nostalgisch nach Wellblech aus, allerdings ist das nicht mehr, wie einst, der Stabilisierung der Struktur dienlich, sondern bloße Deko, die dem Original-Blech als zweite Haut aufgeklebt wurde.

Modernes Innenleben

Beim Innenleben bleibt der Berlingo hingegen ganz Berlingo. Kein Kofferradio also, das – wie in unserer Probefahrt-Fourgonnette – unterm Armaturenträger klemmt, sondern ein modernes Multimediasystem; kein dünnes, vage an Campingstühle erinnerndes Sitzmobiliar, stattdessen komfortable Fauteuils, kein klappriger Rückspiegel, jetzt unterstützt auch eine scharfäugige Rückfahrkamera. Ebenfalls erhalten blieben die beidseitigen Schiebetüren, ebenso wie das wahrhaft opulente Platzangebot – in den Kofferraum passen mindestens 775 Liter, wer die Rücksitzbank und den Beifahrersitz umklappt, bekommt eine 2,70 Meter lange Ladefläche und rund drei Kubikmeter Laderaum.

Cockpit: So, wie es in der Berlingo-basierten Neu-Fourgonnette aussieht, hätte es in den 1950er-Jahren als pure Science Fiction gegolten.

Cockpit: So, wie es in der Berlingo-basierten Neu-Fourgonnette aussieht, hätte es in den 1950er-Jahren als pure Science Fiction gegolten. © Hersteller

Auch im Fahrbetrieb lassen sich keine Unterschiede zwischen dem Fourgonnette- und Original-Berlingo feststellen, die 38 Kilo Mehrgewicht sind zu vernachlässigen, komfortabel und unaufgeregt geht es voran – ach, wie entspannt Autofahren heutzutage doch ist.

Angeboten wird das Vintage-Modell in drei Varianten: Neben dem Fourgonnette Panel Van für Gewerbetreibende gibt es den fünfsitzigen Fourgonnette Crew Cab Van mit Fenstern hinten und schließlich den Fourgonnette Passenger Van mit Pkw-Charakter, dem Benziner und Diesel allerdings verwehrt bleiben und der ausschließlich mit Elektroantrieb (50-kWh-Akku, 100 kW/136 PS) zu haben ist, ganz so wie der nicht-nostalgische Hochdachkombi vom Berlingo auch.

Alternative: Auch eine Fourgonnette-Version für Gewerbetreibende gibt es.

Alternative: Auch eine Fourgonnette-Version für Gewerbetreibende gibt es. © Hersteller

Um zu einem Berlingo im Kasten-Enten-Look zu kommen, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Entweder bestellt man ihn beim Citroën-Händler oder wendet sich direkt an Caselani. Auch wer bereits einen Berlingo hat, kann diesen umbauen lassen. Ganz billig ist das in Handarbeit durchgeführte Umstyling allerdings nicht. Für die gewerbliche Variante werden von Caselani mindestens 37.500 Euro aufgerufen, die vollelektrische Passenger-Version kommt auf 59.000 Euro, draufgeschlagen werden muss die in Deutschland übliche Mehrwertsteuer von 19 Prozent, womit der Fourgonnette-Fan bei happigen 70.210 Euro angelangt wäre. Das Umbaukit für sich genommen kostet 16.800 Euro.

Limitierte Auflage

Dennoch geht Citroën-Sprecher Christopher Rux davon aus, dass die auf 200 Einheiten limitierte Sonderserie „in kürzester Zeit abverkauft sein wird“. Manche Vintage-Freunde hätten es sogar besonders eilig: Es sei schon vorgekommen, so Rux, dass sie auf der Urlaubsfahrt in Richtung Süden einen Zwischenstopp bei Caselani eingelegt hätten – mit dem wenig aussichtsreichen Anliegen, ihr Fahrzeug zwecks Retro-Umbau dazulassen und nach einer Woche wieder abzuholen.

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