Klimaneutraler Kraftstoff

e-Fuels im Test: 28 Millionen Stellantis-Autos vertragen den Synthetik-Sprit

Ulla Ellmer

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7.9.2023, 19:32 Uhr
e-Fuels im Versuchslabor: Wie verträglich ist der Öko-Kraftstoff?

© Stellantis e-Fuels im Versuchslabor: Wie verträglich ist der Öko-Kraftstoff?

Noch zu Jahresbeginn 2023 hatten sich Deutschland und Europa die Köpfe heiß diskutiert über die synthetischen Kraftstoffe. Denn zunächst war geplant, das ab 2035 geltende Verbrenner-Verbot auch für solche Autos einzuführen, die mit klimaneutralen e-Fuels fahren. Damit war vor allem die FDP um ihren Bundesverkehrsminister Volker Wissing ganz und gar nicht einverstanden. Nicht zuletzt die Liberalen insistierten solange, bis die EU eine Ausnahmeregelung für E-Fuel-Fahrzeuge absegnete.

Ruhe also? Nur für ein paar Monate. Jetzt meldet sich wiederum die FDP zurück. Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner dringt darauf, e-Fuel-Autos bei der Kfz-Steuer zu begünstigen. Begründung: Klimaneutral betriebene Verbrenner sollen gegenüber reinen Elektroautos nicht benachteiligt werden.

Ob man die Argumentation nun nachvollziehen kann oder nicht: Technisch ist der Synthetik-Sprit offensichtlich ein gut verträglicher Saft. "E-Fuels erfüllen die gängigen Kraftstoffnormen", erklärt Alexander Vorbau vom Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen Uniti, "wenn das Auto also mit einem modernen Kraftstoff zurechtkommt, wie man ihn heute an der Tankstelle vorfindet, dann wird es auch mit E-Fuels fahren können". Und Johannes Hübner, Oldtimer-Experte mit über 40-jähriger Expertise, ergänzt: "Selbst ein Schnauferl aus dem Jahr 1930 ließe sich mit E-Fuels betreiben".

Keine Änderungen am Antriebsstrang erforderlich

Aktuell hat nun die Stellantis-Gruppe, zu deren Markenkonglomerat unter anderem Opel, Fiat, Alfa Romeo, Peugeot, Citroen und Jeep gehören, den e-Fuels eine Art Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt. Zusammen mit dem saudi-arabischen Konzern Aramco untersuchte man insgesamt 24 Stellantis-Motorenfamilien ausführlich auf ihre e-Fuel-Kompatibilität hin. Ergebnis: Der nichtfossile Kraftstoff konnte problemlos und „ohne Änderungen am Antriebsstrang verwendet“ werden. Nicht unerwähnt soll freilich bleiben, dass es sich bei Aramco um einen großen Energie- und Chemiekonzern handelt, der auch gleich die e-Fuels für die Tests bereitgestellt hat. Wirklich überraschen kann das positive Ergebnis also nicht.

Einsparpotenzial von 400 Millionen Tonnen CO2

Die Überprüfung galt Abgasemissionen, Startfähigkeit, Motorleistung, Zuverlässigkeit, Haltbarkeit, Ölverdünnung, Kraftstofftank, Kraftstoffleitungen und Filter, zudem der Kraftstoffleistung bei extremer Kälte und hohen Temperaturen. Verbaut sind die genannten Motoren übrigens in Stellantis-Modellen, die seit 2014 auf den Markt gekommen sind und die Abgasnorm Euro 6 erfüllen. Rein theoretisch könnten somit rund 28 Millionen auf der Straße befindliche Fahrzeuge profitieren. Würden sie nur noch mit e-Fuels über Europas Straßen rollen, so rechnet Stellantis vor, ergäbe sich zwischen 2025 und 2050 ein CO2-Einsparpotenzial von bis zu 400 Millionen Tonnen.

Drop-in-E-Fuels – also solche, die einfach an konventionelle Tankstellen geliefert werden können – „hätten eine deutliche und fast sofortige Auswirkung auf die Reduzierung von CO2-Emissionen der bestehenden Fahrzeugflotte“, sagt Stellantis-Entwicklungschef Ned Curic. „Kundinnen und Kunden müssen lediglich eine andere Zapfsäule wählen, ohne dass ihre Fahrzeuge umgerüstet werden müssen“.

Der Gedanke hat insofern Charme, als es absehbar noch lange einen großen Bestand an Benzinern und Dieseln geben wird, weltweit, aber auch in Europa. Wenn bis zum Jahr 2034 noch neue Verbrenner zugelassen werden dürfen, ist durchaus damit zu rechnen, dass sie noch 20 Jahre weiterfahren, das wäre dann bis 2054.

Doch auch der ADAC hat den Rechenstift gezückt. Eine inzwischen fast schon berühmte Kalkulation des Clubs sieht so aus: Eine Windkraftanlage mit drei Megawatt-Leistung, die 2000 Stunden pro Jahr in Betrieb ist, kann genügend Energie liefern, um 1600 Elektroautos anzutreiben. Nähme man dieselbe Strommenge her, um synthetische Kraftstoffe zu produzieren, würden diese nur für 250 Fahrzeuge reichen.

Energieintensive Herstellung

Das lässt erahnen: Ganz so einfach ist die Sache mit den e-Fuels nicht. Denn die Herstellung des synthetisch nachgebauten Kraftstoffs ist sehr energieintensiv. Zunächst wird Wasser mithilfe von Strom – idealerweise aus regenerativen Quellen wie Wind oder Sonne – in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) aufgespalten. Diesen Vorgang nennt man Elektrolyse. Anschließend erfolgt eine Anmischung des Wasserstoffs mit Kohlendioxid (CO2), das der Atmosphäre beziehungsweise Umgebungsluft entnommen wird oder, als Abfallprodukt, aus industriellen Prozessen stammt.

Diesen Prozess in so großem Stil zu betreiben, dass alle infrage kommenden Autos versorgt werden können, ist zumindest derzeit weit weg von der Realität. Als wichtigerer Endverbraucher wird von Fachleuten ohnedies der Schiffs-, Schwerlast- und Flugverkehr favorisiert, allesamt Bereiche, für die batterieelektrischer Antrieb eher keine Option darstellt.

Nur wenige Pilotprojekte

Aktuell werden e-Fuels erst im Rahmen einiger weniger und kleiner Pilotprojekte produziert. Auch der Energiekonzern Aramco arbeitet an zwei Demonstrationsanlagen zu Forschungszwecken, in Saudi-Arabien zusammen Enowa, einem australischen Anbieter für Strom aus erneuerbaren Energien, und im spanischen Bilbao gemeinsam mit dem Mineralölunternehmen Repsol.

Zurück zum Stellantis-Konzern: Dass der europäisch-amerikanische Konzern e-Fuels als Option testet beziehungsweise testen lässt, bedeutet nicht, dass er sich der Wende hin zur Elektromobilität verschließt. Ganz im Gegenteil: Bis 2030 sollen alle Stellantis-Marken den Ausstieg aus dem Verbrenner vollzogen haben.

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