Kleiner Klassiker NSU Prinz

Ein Prinz im Wirtschaftswunderland

9.4.2023, 10:35 Uhr
Traum von Weltläufigkeit: Der NSU Prinz vor der Skyline von New York.

© Audi Traum von Weltläufigkeit: Der NSU Prinz vor der Skyline von New York.

Wer nach 1975 geboren worden ist, dürfte mit der Marke NSU nur noch wenig anfangen können. Doch der Name zählt zu den wichtigsten der deutschen Automobilgeschichte. Gegründet wurde NSU vor 150 Jahren, 2023 ist somit ein Jubiläumsjahr. Der Name leitet sich von der (heute) baden-württembergischen Stadt Neckarsulm ab, in die der Unternehmenssitz anno 1880 verlegt wurde. Die ersten NSU-Produkte waren Strickmaschinen, später fertigte man zunächst Fahrräder, es folgten Motorräder und schließlich auch „Motorwagen“. Im März 1969 fusionierte NSU mit der Ingolstädter Auto Union zur Audi NSU Auto Union, die 1985 zur Audi AG wurde und den Namen NSU endgültig verschwinden ließ.

Viele bunte Prinzen: Werbeplakat für die erste Generation des Kleinwagens aus Neckarsulm.

Viele bunte Prinzen: Werbeplakat für die erste Generation des Kleinwagens aus Neckarsulm. © Hersteller

Auch wenn der legendäre Ro 80 die vielleicht berühmteste NSU-Ikone ist, auch wenn die heutigen Audi-Modelle von Luxus und Premiumanmutung geprägt sind: Einen entscheidenden Meilenstein in der Unternehmenshistorie markiert ausgerechnet ein 3,15 Meter kurzer Kleinwagen: Der Prinz.

Und jetzt ein Auto!

Seine Geschichte begann in der Wirtschaftswunderzeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Die ärgste Not war Anfang der 1950er-Jahre vorbei, die Menschen hatten sich wieder einen gewissen Wohlstand erarbeitet. Damit kam auch der Wunsch nach einer Form individueller Mobilität auf, die mehr Komfort als ein Fahrrad oder Motorrad bot. Sprich: Man träumte von einem Auto, gern auch, um damit an den Gardasee oder zumindest in den Schwarzwald zu reisen.

In der neuen Bundesrepublik begann die Hoch-Zeit von Rollermobilen wie BMW Isetta oder Messerschmitt Kabinenroller, von VW Käfer, Goggomobil oder dem Lloyd-„Leukoplastbomber“. NSU aber konnte zunächst keine aktuelle Expertise als Autohersteller vorweisen. Seit 1929 war man nur noch als Zweiradhersteller aktiv. Das jedoch sehr erfolgreich, nämlich als größter der Welt. Und so sollten die Kunden ihr mobiles Dach über dem Kopf zunächst in Gestalt eines Auto-Motorrad-Zwischenwesens bekommen. Die „Max-Kabine“ entstand, ein dreirädriges Rollermobil, dessen Name auf ein Motorrad verwies, die NSU Max.

Die Testfahrten verliefen jedoch nicht so vielversprechend, wie die NSU-Geschäftsführung sich das vorgestellt hatte. Man beschloss, die Max-Kabine sein zu lassen und stattdessen gleich in die Vollen zu gehen. Das neue automobile Zeitalter sollte also auf vier Rädern und nicht auf dreien erobert werden.

Finanziell gesehen war das allerdings gar nicht so einfach. Die Kriegszeit hatte ihre Spuren im Unternehmen hinterlassen, und nicht nur die Entwicklung des Autos würde eine Menge Geld kosten, sondern auch die Erweiterung des Zweiradwerks hin zur Automobilproduktion. Doch NSU erhielt Hilfe. Ein Bankkredit in Höhe von rund 30 Millionen Mark wurde gewährt, zudem sicherte das Land Baden-Württemberg das Auto-Vorhaben mit einer Bürgschaft ab. Es ging schließlich um viel – 1955 war NSU der größte Arbeitgeber in Neckarsulm und musste angesichts der nachlassenden Motorrad-Nachfrage unbedingt zukunftsfest gemacht werden.

Italienisch elegant: NSU Sport Prinz.

Italienisch elegant: NSU Sport Prinz. © Hersteller

Und so konnten Mitte 1956 die Versuchsreihen beginnen, drei erste Prototypen stellten sich dem Einsatz. 1957 erlangten sie Serienreife, und NSU konnte das fertige Produkt präsnetieren. „Lido“ hieß es intern zunächst, das bezog sich auf den firmeneigenen Campingplatz an der italienischen Adria, den das Unternehmen erst im Mai 1955 eingeweiht hatte und den es bis heute gibt, als „Camping Union Lido“ ist er vielen Urlaubern ein Begriff. Den neuen Kleinwagen aber taufte man schließlich „Prinz“, ab 1958 lief er vom Band.

Die Leistung der zweitürigen, 510 Kilogramm leichten Limousine mit selbsttragender Ganzstahlkarosserie nimmt sich nach heutigen Maßstäben geradezu rührend aus: Der im Heck verbaute Zweizylinder brachte es auf gerade einmal 20 PS. Schon damals zeichnete sich ein Käuferverhalten ab, das die Automobilhersteller auch heute noch mit Wohlwollen betrachten: Das weniger einträgliche Basismodell war nur wenig gefragt, den lichtgrünen Prinz I zu 3645 Mark ließen die Kunden weitgehend links liegen. Stattdessen entschied sich die überwiegende Mehrzahl dazu, 3985 Mark für den besser ausgestatteten Prinz II in sogenannter Export-Ausstattung mit Chromschwingen, Kombiinstrument und Kurbelfenstern auszugeben.

Elegante Ergänzung

Es dauerte nicht lange, bis das Modellprogramm erweitert wurde. 1959 kam der elegante Sport-Prinz auf den Markt, er bekam eine eigenständige, von italienischem Design inspirierte Karosserie. 1960 folgte der Prinz III, 1961 der Prinz 4, der bis 1973 produziert wurde.

"Fahre Prinz und du bist König": Anfang der 1960er-Jahre galt das auch mit einem 3,15 Meter kurzen Kleinwagen.

"Fahre Prinz und du bist König": Anfang der 1960er-Jahre galt das auch mit einem 3,15 Meter kurzen Kleinwagen. © Audi

Erst da gelangte die Geschichte des Kleinwagens an ihr Ende. Der griffige Slogan „Fahre Prinz und du bist König“, den die Werbestrategen im Jahr 1961 ersonnen hatten, traf die anspruchsvollere Lebenswirklichkeit der 1970er-Jahre längst nicht mehr. Schon 1964 hatte NSU sich allerdings höher positioniert und weitsichtig den Prinz 1000 lanciert, der sich in der unteren Mittelklasse einsortierte. Zumindest dort, was damals als untere Mittelklasse galt – die Länge des Prinz 1000 betrug gerade einmal 3,80 Meter, heute bringt es schon ein VW Polo auf 4,07 Meter.

Angetrieben wurde der Prinz 1000 von einem 43 PS starken, luftgekühlten Vierzylinder, die Sportvariante mit seinerzeit überaus respektablen 55 PS fuhr sogar auf dem Rennkurs um motorsportlichen Lorbeer. Ihr Beiname „TT“ hat bis heute im Audi-Modellprogramm überlebt - während das Kürzel NSU längst Geschichte ist.

Keine Kommentare