SOS vom Straßenrand

Notrufsäulen an der Autobahn: Wirklich noch wichtig?

8.2.2023, 21:21 Uhr
Die Notrufsäulen sind im Abstand von etwa 2000 Metern aufgestellt. Das Siemens-Werk Fürth stellt sie übrigens her.

© GDV DL Die Notrufsäulen sind im Abstand von etwa 2000 Metern aufgestellt. Das Siemens-Werk Fürth stellt sie übrigens her.

Früher kam niemand auf den Gedanken, die Sinnhaftigkeit der Notrufsäulen infrage zu stellen. Erstens war die Pannenanfälligkeit der Autos viel höher als heute. Und zweitens gab es keine Handys, mit denen man schnell und unkompliziert Hilfe hätte rufen können, direkt aus dem Cockpit heraus, sei es wegen eines streikenden Fahrzeugs oder wegen eines Unfalls. Die kleinen Telefone, inzwischen zum allwissenden und umfassend talentierten Smartphone aufgestiegen, haben maßgeblich dazu beigetragen, die sogenannte Rettungskette zu verkürzen – jenen Zeitraum also, der vom Unfall über das Absetzen des Notrufs bis zum Eintreffen der Rettungskräfte vergeht.

17.000 Auslaufmodelle?

Sind die rund 17.000 Notrufsäulen entlang der Autobahnen also überflüssig gewordene Auslaufmodelle? Tatsächlich ist die Zahl der Notrufe rückläufig. Gut 60.000 sind es noch im Jahr 2017 gewesen - doch 2021 hat die GDV Dienstleistungs-GmbH (GDV DL), welche die Stationen im Auftrag der Autobahn GmbH des Bundes betreibt, nurmehr rund 33.500 solcher Anrufe registriert.

Für Birgit Luge-Ehrhardt, Pressesprecherin bei der GDV DL, besteht trotzdem kein Zweifel: "Wir brauchen die Telefone noch", sagt sie, "all diese Notrufe wären ja sonst ins Leere gelaufen. Für die betreffenden 33.500 Menschen ist die Möglichkeit, einen Notruf tätigen zu können, sehr wichtig gewesen".

Rückblick ins Jahr 1973: Auf Initiative des Ehepaars Ute und Siegfried Steiner, das seinen kleinen Sohn durch einen Verkehrsunfall verloren hat, wird die Einführung des bundesweiten Notrufs 110/112 beschlossen.

Rückblick ins Jahr 1973: Auf Initiative des Ehepaars Ute und Siegfried Steiner, das seinen kleinen Sohn durch einen Verkehrsunfall verloren hat, wird die Einführung des bundesweiten Notrufs 110/112 beschlossen. © Björn-Steiger-Stiftung

Ähnlich sieht es Nicolas Basse von der Björn-Steiger-Stiftung, die in Baden-Württemberg rund 600 Notrufsäulen an den Bundes- und Landstraßen unterhält. 230 weitere Telefone der Stiftung stehen bundesweit dort, wo man - so Basse - "einen Abbau nicht riskieren möchte, weil die betreffenden Stellen als nachgewiesene Unfallschwerpunkte bekannt sind oder weil man weiß, dass keine Netzabdeckung gegeben ist“.

Wann braucht es die Notrufsäule?

Szenarien, in denen eben nur das orangefarbene Telefon hilft, gibt es verschiedene. "Vielleicht hat man das Handy zuhause vergessen oder der Akku ist alle", sagt Nicolas Basse und weist außerdem auf die "weißen Flecken auf der Landkarte" hin, die es hinsichtlich der Mobilfunkabdeckung immer noch gibt in Deutschland.

Unterstützung können auch Reisende aus dem Ausland gebrauchen, die möglicherweise nicht über die europäische Notrufnummer 112 Bescheid wissen.

Zusammen mit der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) stellt die Björn-Steiger-Stiftung zudem an Stränden oder Badeseen Notrufsäulen auf - bewusst vor dem Hintergrund, dass viele Badegäste oder Wassersportler ihr Handy aus Angst vor Diebstahl im Auto oder gleich ganz zu Hause lassen.

Autobahn: Wo stehen die Säulen?

Aufgestellt sind sie an den Randstreifen in regelmäßigen Abständen von etwa zwei Kilometern und in beiden Fahrtrichtungen. Der Auto Club Europa (ACE) erinnert daran, dass auch zahlreiche Rastplätze mit einem solchen Notrufsystem ausgestattet sind.

Wie finde ich hin?

In welche Richtung man zur nächstgelegenen Autobahn-Notrufsäule laufen muss, zeigen kleine Pfeile auf den Leitpfosten. Maximal beträgt die Entfernung etwa 1000 Meter.

Darf ich auch die Autobahn überqueren?

Auf keinen Fall. Selbst wenn gleich gegenüber eine Notrufsäule steht, ist das Queren der Fahrbahnen streng verboten, es besteht höchste Lebensgefahr.

Wie funktioniert das mit der Notrufsäule?

Es gibt zwei verschiedene Ausführungen. Ältere Modelle besitzen eine sogenannte Sprechklappe. Sie wird angehoben, daraufhin ergibt sich eine Verbindung zur Hamburger Notrufzentrale des GDV, der die Säulen seit 1999 im Auftrag der Autobahn GmbH des Bundes betreibt.

Die neueren – und damit die allermeisten - Säulen haben zwei Tasten: Eine rote für Unfallnotrufe und eine gelbe für den Pannenfall. Je nachdem, um was es bei dem Anruf geht, wird der geschulte Notrufagent einen vordefinierten Fragenkatalog abarbeiten und sich beispielsweise erkundigen, ob es Verletzte gibt, ob das Auto womöglich auf der Fahrbahn steht oder welcher Art die Panne ist (Tank leer? Reifenplatzer? Qualmender Motor?). Anschließend wird umgehend Hilfe organisiert, ein Pannendienst etwa, gegebenenfalls aber auch Polizei und Rettungskräfte, zu deren Leitstellen in Notfallsituationen eine Konferenzschaltung hergestellt werden kann.

Den Ort des Geschehens braucht der Notrufagent übrigens nicht zu erfragen. Alle Notrufsäulen sind geovermessen. Das bedeutet, dass Standort und Fahrtrichtung automatisch an die Zentrale übertragen werden.

Die Mitarbeiter sind rund um die Uhr zu erreichen. Unter ihnen befinden sich auch Muttersprachler, die Notrufe in zahlreichen Fremdsprachen abhandeln können.

Aus Jux gedrückt – was passiert dann?

Der Missbrauch von Notrufsäulen wird gemäß Paragraf 145 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) als Straftat gewertet. Wer erwischt wird, muss mit einer Geldstrafe oder sogar mit Freiheitsentzug rechnen.

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