Hohe Bußgelder und einige Schlupflöcher

Wird das Party-Aus am Ballermann durchgesetzt? Strenges Gesetz gilt seit diesem Sommer

Matthias Niese

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19.6.2023, 12:51 Uhr
1997 ging's noch richtig wild zu: Beste Stimmung vor dem berühmt-berüchtigten deutschen Mallorca-Treff «Balneario 6» an der Playa de Palma. Die Skandalkneipe mit ihren Saufexzessen sollte dann seriös werden, Sangria wurde nur noch in Biergläsern und nicht mehr in Eimern ausgeschenkt und der Schriftzug Ballermann 6 verschwand.

© Horst Ossinger/dpa, NNZ 1997 ging's noch richtig wild zu: Beste Stimmung vor dem berühmt-berüchtigten deutschen Mallorca-Treff «Balneario 6» an der Playa de Palma. Die Skandalkneipe mit ihren Saufexzessen sollte dann seriös werden, Sangria wurde nur noch in Biergläsern und nicht mehr in Eimern ausgeschenkt und der Schriftzug Ballermann 6 verschwand.

Mallorcas Metropole Palma hat nach mehreren Anläufen endgültig genug von exzessivem Partytourismus im Freien. Der hat jahrzehntelang das Image der Ferieninsel und vor allem des riesigen Sandstrandes gleich hinterm Flughafen geprägt - obwohl dort nur eine Minderheit exzessiv feiert. Das heißt nun unter anderem konkret, dass selbst ein Fußballverein, der sich jedes Jahr mit Bierpaletten an den Strand legt, nun bald sanktioniert wird.

Zumindest an der legendären Playa de Palma kommt also rechtzeitig zum Beginn der Sommer-Hauptsaison das Ende für eine Form des Urlaubs, die noch immer hartnäckig in unzähligen Ballermann-Hits gefeiert wird. Thema: Feiern, Saufen und das Kopfweh danach. Müssen Partybarden wie Mickie Krause oder Peter Wackel bald andere Destinationen besingen? Im Gespräch ist bei vielen schon der Goldstrand in Bulgarien.

Denn seit Samstag, 1. April 2023, gilt ein neues Gesetz, das die Outdoor-Gelage am Strand und auf den Straßen vor den entsprechenden Etablissements unterbindet - Schilder, Reiseleiter und die Polizei sollen das kommunizieren. Wer sich nicht daran hält, dem drohen harte Strafen. Es muss nur umgesetzt werden, denn in den vergangenen Jahren gab es viele Versuche, den Sauftourismus zu unterbinden. In den entsprechenden Foren in sozialen Medien feixt man schon: "Alle Jahre wieder..." und "wer's glaubt" ist das unter anderem zu lesen.

Denn obwohl seit 2020 das sogenannte "Exzessgesetz" gilt, befürchten Touristiker auf den Balearen, dass es auch in diesem Jahr an der Playa de Palma, in Magaluf - wo die Briten urlauben - sowie auch in Sant Antoni auf Ibiza zu Alkohol-Exzessen kommen könnte. Der balearische Tourismusverband Acotur berichtet, dass im Internet nach wie vor Angebote für Kneipentouren und Partyboote für Magaluf angeboten werden. Immer wieder werden also Schlupflöcher gefunden oder Gesetze ignoriert.

Was genau die weiterhin im öffentlichen Raum exzessiv Feiernden ab 1. April erwarten soll, hat Pedro Homar unserer Redaktion auf der ITB in Berlin verraten - er ist Chef der Fundación Turismo Palma 365, die sämtliche touristischen Bereiche Palma de Mallorcas aufwertet und das beseitigt, was diesem Plan im Wege steht.

Mallorquiner und Urlauber sollen vor Betrunkenen "geschützt" werden

Neben dem städtischen Paseo Maritímo soll schon lange vor allem die berüchtigte Playa de Palma nobler werden und eine andere Art von Touristen anziehen. Die geben mehr Geld aus als all die trinkwütigen Partygänger, die früher in Massen eher günstige Hotels füllten und nach Angaben der Stadt nur noch fünf Prozent der Gäste dort stellen. Übrigens: das viel geschmähte El Arenal liegt am Ostende der Playa de Palma und gehört zur Gemeinde Llucmajor. Dort gelten andere Gesetze.
"Inzwischen haben wir an unserem Teil des Strandes schon ein paar Fünf-Sterne-Hotels und Spitzenrestaurants an der Playa, und es sollen noch mehr werden", so Homar. Die meisten Urlauber dort fühlen sich inzwischen gestört von der Minderheit grölender Besoffener, die nach wie vor zwischen April und Oktober vor Clubs und Lokalen wie dem Oberbayern, dem Mega Park, an der Promenade oder vor den Etablissements in der Bier- und Schinkenstraße bis tief in die Nacht feiern.

Dieses Bild ist Geschichte: Die Schinkenstraße auf Mallorca. Der größte Teil der Party spielte sich vor den Biergärten auf der Straße ab - künftig nur noch innen.

Dieses Bild ist Geschichte: Die Schinkenstraße auf Mallorca. Der größte Teil der Party spielte sich vor den Biergärten auf der Straße ab - künftig nur noch innen. © imago images/Chris Emil Janßen, NNZ

"Es gibt noch viel zu viel exzessives Benehmen, zu viel Lärm. Manchmal meint man, man ist in einem Kriegsgebiet. Wir müssen uns schützen und die Menschen, die dort normal Urlaub machen wollen", sagt Pedro Homar und listet die neuen Maßnahmen gegen die "Bottellones" auf, wie man hier die Sauftouristen nennt. Denn alle seien sich inzwischen einig, dass dieser Tourismus vorbei sein müsse.

Kein Malle wie bisher: Diese Maßnahmen beenden den Partytourismus

Die Strafen werden höher sein: Trifft die Polizei größere Gruppen am Strand, der Promenade oder auf der Straße an, die mit Alkohol feiern, greift sie sofort ein und fordert auf, das zu beenden. Wird weitergefeiert, brummt die Polizei den Anwesenden Strafen zwischen 100 und 3000 Euro auf. "Meist wird sich die Strafe bis 300 Euro bewegen. Besonders hartnäckige Verweigerer zahlen aber deutlich mehr oder werden sogar verhaftet", droht Homar.

Ausdrücklich erlaubt bleibt es weiterhin, sich im Supermarkt ein Bier oder einen Cava (Sekt) zu kaufen und sich etwa mit der Familie oder zwei, drei Freunden auf die Mauer an der Strandpromenade zu setzen und die Passanten oder den Sonnenuntergang zu bewundern. Und auch auf den Biergarten-Terrassen ist weiterhin das Feiern im Freien erlaubt. Was nicht mehr geht: den Krug mit auf die Straße zu nehmen und dort in großen Gruppen etwa die Bier- und Schinkenstraße zu verstopfen.

Supermärkte, die früher reihenweise ihre blauen und roten Sangria-Eimer und bunten Strohhalme vor die Schaufenster stellten, dürfen diese Hardware schon länger nicht mehr anbieten. Erlaubt bleibt aber weiterhin der Verkauf von Alkohol. Es bleibt spannend, ob und welche Nischen Feierwütige finden werden - viele könnten etwa auf ihre Hotelbalkone ausweichen.

"Heuuute Abend, Oooooberbayern!" - Ticketeros mit Flyern werden verbannt

Verboten wird auch die aktive "dynamische Werbung" an Strand und Promenade. Denn wer sich bislang in Ruhe sonnen oder flanieren wollte, wurde ständig von Ticketeros behelligt, die teils in großen Gruppen mit Lederhosen und weiß-blauen Hüten Werbung für Saufpartys in den entsprechenden Lokalen machten. "Die saftige Strafe brummen wir aber nicht den Chicos mit den Zetteln auf, sondern den Lokalen und Agenturen, die sie losschicken", sagt Pedro Homar.

Und gibt die Losung aus: "Seid Teil der Lösung, nicht des Problems!" Damit meint er all die Clubs und Biergärten, die Teil einer Kampagne der Stadt und der Polizei werden sollen, um das Gesetz durchzusetzen. "Sie müssen kooperieren, wenn sie ihr Geschäft weiterführen möchten", sagt er, man habe daher die meisten schon ins Boot holen können. Sie stehen in der Verantwortung und müssen sich darum kümmern, dass nach der Sperrstunde niemand mehr vor ihrem Lokal steht und weiterfeiert. Sie müssen ihre Gäste heimschicken.

Matthias Niese, Reiseredakteur im VNP / Nürnberger Nachrichten, Nürnberger Zeitung, www.nn.de und www.nordbayern.de

Matthias Niese, Reiseredakteur im VNP / Nürnberger Nachrichten, Nürnberger Zeitung, www.nn.de und www.nordbayern.de © Alfred Schüssler, NNZ

Mallorca will mit weniger Gästen mehr Geld machen

"Es ist nicht nötig, 16 Millionen Gäste zu erzielen, wenn wir genauso gut mit 80 Prozent der Touristenzahlen die gleichen Einnahmen erreichen", sagt Iago Negueruela, Tourismusminister der Balearen. Die Balearen-Regierung wolle nicht die Touristenzahlen regulieren, sondern nur die Zahl der Betten. Man wolle die Rentabilität weiter steigern und mehr Besucher in der Nebensaison anziehen, so das Fachmagazin FVW.

"Seid ihr verrückt? Ich will mein Malle zurück!"

Wenn sich also der Tourismus ändert, werden sich auch die Touristen an der Playa de Palma im Sinne der Balearen-Regierung ändern. Lorenz Büffel, einer der oben erwähnten Ballermann-Schlagerbarden, beklagte schon 2016 die Entwicklung: In seinem Song Johnny Däpp jammert er stellvertretend für viele: "Seid ihr denn alle verrückt? Wir wollen Malle zurück! Guten Tag, guten Tag - ich will mein Malle zurück!"

Unser Kommentar von Matthias Niese, Reiseredakteur:

Schon länger sind Sangria-Eimer mit Strohhalmen am Strand verboten.

Schon länger sind Sangria-Eimer mit Strohhalmen am Strand verboten. © imago images/blickwinkel, NNZ

"Ich habe Ende der 1990er-Jahre auf Mallorca gelebt und kenne noch den alten Ballermann. Lustig ging's da zu und in der Regel harmlos. Ohne die Partytouristen wäre Mallorca nicht zu der Lieblings-Ferieninsel der Deutschen geworden, auch wenn man sich heute für die Feiernden schämt. Dabei ist die Fläche, die für den Ballermann steht, insgesamt nur gut einen Quadratkilometer groß und um zwei, drei Feier-Hotspots verteilt - der Rest blieb unbehelligt.

Doch man verdient lieber mehr Geld mit reicheren Touristen und gräbt eine fröhliche Urlaubsform ab, die dort, wo sie seit Jahrzehnten stattfindet, kaum jemandem wirklich weh tat. Es wäre schade um diesen legendären Ort. Ob's aber wirklich so weit kommt? Anläufe gab es schon genug."

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