Das war die Reise ihres Lebens - Teil 1

Elternzeit mit Baby quer durch Australien: 3 Personen, 3 Quadratmeter, 3 Monate voller Abenteuer (1)

Matthias Niese

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28.9.2023, 16:39 Uhr
Zwischenstopp an einer der Traumstraßen der Welt: Die Great Ocen Road

© Matthias Niese Zwischenstopp an einer der Traumstraßen der Welt: Die Great Ocen Road

Pssst, da ist was! Wir sind mucksmäuschenstill, hören nur, wie das Känguru-Steak in unserer Pfanne brutzelt und ein Klopfen, das über den Caravan-Park näher kommt. Es ist finster, nur die Sterne funkeln und ein Kerzchen flackert. Plötzlich lugt ein Känguru hinter einem Busch hervor, angelockt vom Rascheln unserer Tüten. Es hofft, etwas vom Wildnis-Dinner abzubekommen und hüpft mit großen Sprüngen und etwas Essbarem weiter. Was für ein Besuch! Schon nach wenigen Tagen hat unser kleines Familienabenteuer mit unserer damals sieben Monate alten Tochter Paulina stilecht begonnen.

Wir nehmen von Januar bis März drei Monate Elternzeit, mieten ein günstiges Wohnmobil in der Größe eines Vans und bereisen Australiens Süd- und Ostküste. Zu dieser Jahreszeit kommt nur der fünfte Kontinent in Frage, wenn man Sommerwetter, eine prima Infrastruktur und eine gute ärztliche Versorgung möchte. Unser Häuschen wird für ein Vierteljahr das Auto und unser Garten die australische Weite sein.

Mit diesem billigen Wohnmobil ist die Rundreise bezahlbar

Allen Bedenken zum Trotz: Der Nachtflug von Frankfurt über Singapur nach Adelaide ist nicht so quälend wie erwartet, alle finden ein paar Stunden Schlaf. Am Silvestertag landen wir morgens in Adelaide, der Metropole der Provinz Südaustralien und holen unser „Spaceship“ ab. Das ist ein zum knallroten Mini-Wohnmobil umgebauter Toyota Previa mit ausziehbarem Bett im Heckzelt, einem Gaskocher, den man hinter die Beifahrertür steckt, einem kleinen Kühlschrank, Gardinen im Fenster und Stauraum unterm Bett – das war's. Dazu gibt’s Klapptisch und Klappstühle. Der Linksverkehr ist schnell verinnerlicht — Australier fahren äußerst gelassen — und die erste Station ist ein Supermarkt, um Vorrat aufzunehmen.

Australische Supermärkte haben fast alles im Angebot, selbst (weiches) Vollkornbrot, Oliven oder italienische Wurst. Am günstigsten kauft man bei Aldi ein — die Filialen des deutschen Discounters gibt‘s in bald jeder größeren Stadt, wir haben dort sogar Nürnberger Lebkuchen und Bamberger Löwenbräu bekommen.

Überraschender Besuch am späten Abend: Ein Känguru schaut am Campingtisch vorbei, um sich etwas Essbares zu stibitzen.

Überraschender Besuch am späten Abend: Ein Känguru schaut am Campingtisch vorbei, um sich etwas Essbares zu stibitzen. © Matthias Niese

Mit genug Wasser, Wein, Bier und Lebensmitteln fahren wir vom hübschen Adelaide in etwa drei Stunden südwestlich auf Australiens drittgrößte Insel: Kangaroo-Island. Dort erwartet uns ein lange vom Festland unberührtes Naturparadies, in dem sich die 3000 Einwohner auf ein paar winzige Örtchen verteilen.

Hier finden wir Australien im Kleinen, nirgends haben wir so viele Kängurus gesehen. Im Nachhinein war die Insel trotz hoher Kosten für die Fähre eines der lohnendsten Ziele: Auf engem Raum wechseln sich Eukalyptuswälder, Überschwemmungsgebiete, zerklüftete Klippen und herrliche Sandstrände ab, auf die man zum Teil mit dem Auto fahren und dort übernachten kann. Im Flinders Chase Nationalpark, der den Westen der 150 mal 50 Kilometer großen Insel einnimmt, gibt‘s Schnabeltiere, Seehunde, Kakadus, Koalabären, Pinguine, Emus und Ameisenbären.

Wir fliehen vor der Hitzewelle aus dem Outback

Leider rollt gerade zu der Zeit, zu der wir das Outback der Provinz Südaustralien besuchen wollen, eine Hitzewelle heran. Unglaubliche 48 Grad werden erreicht. Schon auf der langen Fahrt gen Norden ist jeder Zwischenstopp eine schweißtreibende Angelegenheit. Der Wagen mit seiner Klimaanlage wird zum Refugium, die Fensterscheiben sind ganz heiß. Selbst nachts zeigt das Thermometer über 30 Grad. Unternehmen kann man bei dieser Hitze nichts, also schlagen wir einen Haken nach Südosten.

Auf dem Weg zur Great Ocean Road liegt das so genannte Riverland: Der Murray River gilt als der Mississippi Australiens und ist der größte Fluss des Landes, auf dem sogar Raddampfer fahren. An seinem Lauf stehen Obstplantagen und Weingärten. Hier sitzen wir mit kühlen Getränken im seichten Wasser des Flussufers. Melbourne meldet derweil die heißeste Nacht seit Aufzeichnung des Wetters, während Deutschland im Schneechaos versinkt. Paulina scheint die Hitze wenig auszumachen, sie bleibt meist gut gelaunt. Endlich zeigen sich Wolken am Himmel und es kommt Wind auf. Ein Wetterwechsel steht bevor — für den Rest der Reise werden wir viel Regen haben, ein Sommer, der eher dem deutschen Sommer ähnelt.

Gen Süden wird‘s immer grüner, es gibt saftige Wiesen mit Baumreihen, die Besiedlung wird dichter. Man könnte auch in Mitteleuropa sein. Schnell ist die Küste Victorias erreicht, das Land ist saftig grün und sanft-hügelig wie in Irland. Wir erreichen die etwa 300 Kilometer lange Great Ocean Road, ein touristisches Glanzlicht Australiens. In den hübschen Seebädern entlang der Strecke herrscht entspannte Urlaubsstimmung. Die Touristen relaxen an den Bade- und Surfstränden und besuchen die Zwölf Apostel, von denen wegen der starken Witterung aber nur noch acht stehen.

Wir erreichen Melbourne, mit knapp vier Millionen Einwohnern etwas kleiner als Sydney und immer etwas in seinem Schatten. Dabei ist Melbourne eine coole Metropole mit schicken Künstlervierteln wie Fitzroy und dem Strandvorort St. Kilda, in denen es kreative Bars und Cafés gibt. Großveranstaltungen wie die Formel 1 oder die Australian Open, eine hervorragende Gastronomieszene und die unzähligen Veranstaltungen locken inzwischen sogar mehr Touristen nach Melbourne als nach Sydney.

Ein Strand so weiß, dass der Sand unter den Füßen quietscht

Auf dem Weg über die Australische Hauptstadt Canberra in Richtung Sydney liegt der Nationalpark Wilsons Prom: Einst war hier eine Landbrücke nach Tasmanien, bevor sich nach der letzten Eiszeit der Meeresspiegel hob. Zurück blieb ein bis zu 700 Meter hohes Gebirge voller Naturschönheiten, die so nette Namen tragen wie Lilly Pilly Gully — ein Stück Regenwald in einer verwunschenen Schlucht. Oder der Squeaky Beach, ein Strand so weiß, dass der feine Sand beim Laufen unter den Füßen tatsächlich quietscht.

Wir fahren durchs Hinterland, stundenlang durch dichten Wald, in dem winzige Ansiedlungen mit Namen wie Goongerah oder Delegate über 60 Kilometer weit auseinanderliegen und erreichen Canberra, die australische Hauptstadt. Sie hat 300000 Einwohner und ist eine sympathische, großzügig angelegte Beamtenstadt, die wegen vieler Museen, Veranstaltungen und einer schönen Umgebung mehr als einen Tagesbesuch wert ist.

In drei Autostunden könnten wir nun in Sydney sein, doch wir wollen noch einen ganz besonderen Strand besuchen: Unweit von Batemans Bay kommen abends die Kängurus aus dem Nationalpark an den Pebbly Beach und lassen sich geduldig aus nächster Nähe beim Grasen fotografieren. Andächtig schleichen wir um die zahmen Tiere. Atemberaubend ist auch der Ort, an dem wir danach unser Auto zur Übernachtung abstellen: Hyams Beach hat wahrscheinlich den weißesten Sand der Welt.

Den zweiten Teil dieser Reise von New South Wales ins tropische Cairns — lesen Sie hier.


Mehr Informationen:

Australien-Tourismus, Tel.: (069)2740060, www.australia.com

Spaceship-Camper: https://australien.spaceship-camper.de

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