Hier retten Touristen das Auerhuhn

Freiwillig Artenschutz betreiben und sich dabei erholen? So geht "Voluntourismus" im Hochschwarzwald

Benjamin Huck

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9.5.2023, 08:00 Uhr
Auf über 1100 Meter ragen die Gipfel im Hochschwarzwald in die Höhe - hier der Blick vom Gipfel des Brends in der Nähe von Furtwangen. 

© Benjamin Huck Auf über 1100 Meter ragen die Gipfel im Hochschwarzwald in die Höhe - hier der Blick vom Gipfel des Brends in der Nähe von Furtwangen. 

Der moosige Boden ist vom Regen der vergangenen Tage aufgeweicht. Querfeldein über abgestorbene Äste und abgeerntete Heidelbeerbüsche geht es weiter hinein in den Wald. Säge und Axt in der Hand verraten: Hier wird bald ein Baum fallen.

Förster Johannes von Stemm führt die zehnköpfige Gruppe aus Laien am Rohrhardsberg in der Nähe von Furtwangen durch den Wald. Die Teilnehmer sollen kleine Fichten und Tannen an einer Lichtung entfernen. "Hier lebt das Auerhuhn", sagt von Stem, knapp 120 der Tiere gibt es in der Gegend noch, zur Erhaltung der Art müssen die Bäume fallen. So wird artgerechter Lebensraum geschaffen. Denn der Vogel kann nur schlecht fliegen.

Wir betreiben hier "Voluntourismus", also die Verbindung von Freiwilligenarbeit (vom Englischen "volunteering") und Tourismus. Einfache Waldarbeit im Urlaub für den guten Zweck. Nur etwas für Städter, die einzig eine vertrocknete Zimmerpflanze ihr eigen nennen? "Die meisten unserer Teilnehmer kommen aus der Region und wollen ihre Umwelt besser kennenlernen", berichtet von Stemm.

Freiwillige Projektarbeit liegt im Trend

Solche Programme liegen im Trend. Ein Vorreiter in Deutschland ist etwa das Bergwaldprojekt, das seit 1995 im Schwarzwald Biotoppflege betreibt (und auch in Franken Einsätze anbietet). Die Termine sind oft monatelang im Voraus ausgebucht. Neben der Waldpflege geht es auch um die Bekämpfung invasiver Arten sowie die Offenhaltung wertvoller Lebensräume.

Partner des Programms ist der Naturpark Südschwarzwald. Wie passt das zusammen, einen Teil der Natur zu zerstören, um einen anderen zu schützen? "So alt ist der Wald noch gar nicht", erläutert Förster von Stemm und zeigt eine Karte aus dem 18. Jahrhundert. Der Forst im Schwarzwald macht darauf nur eine kleine Fläche aus. In der hügeligen Landschaft des Hochschwarzwalds liegen die Höfe und Orte oft auf 1000 Metern Höhe.

Die Bewirtschaftung ist beschwerlich, kalte und schneereiche Winter sorgten früher zusätzlich für Probleme. Viele Menschen verließen ab der Mitte des 19. Jahrhunderts ihre Heimat, um woanders mehr Geld zu verdienen. Die Flächen kaufte das damalige Großherzugtum Baden auf und bepflanzte sie mit schnellwachsenden Bäumen. Der Wald ist hier also oft nicht älter als 150 Jahre.

Förster Johannes von Stemm führt Freiwillige zur Biotoppflege durch den Wald. Dabei wird auch mit Sägen und Äxten gearbeitet. 

Förster Johannes von Stemm führt Freiwillige zur Biotoppflege durch den Wald. Dabei wird auch mit Sägen und Äxten gearbeitet.  © Benjamin Huck

Heute geht es dem Forst auch auf den Höhenzügen des Schwarzwaldes immer schlechter. Die Fichten sterben wegen der Trockenheit ab, neue Arten wie die Douglasie verdrängen sie. Dabei ist das Holz für die Region ein wichtiger Rohstoff. Die großen Schwarzwaldhöfe zeugen davon - bis zu 400 Jahre alt und oft ohne einen Metallnagel errichtet.

Kuckucksuhren schnitzen in stundenlanger Handarbeit

Gleiches gilt für einen der Exportschlager aus dem Schwarzwald: die Kuckucksuhr. Christophe Herr stellt in seiner Werkstatt in Schonach in fünfter Generation die Uhren mit dem typischen Stundengezwitscher her. Seinen Urgroßvater hätte es wegen der schlechten Lebensbedingungen vor 100 Jahren fast nach Amerika weggezogen. Die Familie errichtete für ihn ein neues Haus mit Werkstatt und überzeugte ihn, zu bleiben.

Dort fertigt die Familie noch immer in Handarbeit die aufwändig verzierten Gehäuse. Die Grundlage ist Lindenholz, das zuerst zu einem großen Brett zusammengeleimt wird, bevor Herr in stundenlanger Handarbeit die verschiedenen Muster aus dem Holz schnitzt. Mit einer speziellen Farbe beizt der Holzbildhauer seine Einzelstücke, wodurch sie den dunklen Farbton erhalten.

Christophe Herr stellt in fünfter Generation Kuckucksuhren in seiner Werkstatt in Schonach her. 

Christophe Herr stellt in fünfter Generation Kuckucksuhren in seiner Werkstatt in Schonach her.  © Benjamin Huck

Die Uhrwerke der Kuckucksuhren waren früher aus Holz. Die Zünfteregeln haben einst die Verarbeitung von Metall verboten, was die findigen Schwarzwälder nicht am Tüfteln gehindert hat. Ein Unternehmen gibt es noch, das die Uhrwerke herstellt. Ebenso eines für die Holzpfeifen, die den Kuckuckston erzeugen. Ist die Uhr erst einmal aufgezogen, läuft hier alles mechanisch und ohne Strom, ganz wie früher.


Weitere Informationen zur Geschichte der Kuckucksuhren gibt es im Deutschen Uhrenmuseum, Robert-Gerwig-Platz 1 in 78120 Furtwangen: www.deutsches-uhrenmuseum.de


Wer sich mehr für das Leben von damals interessiert, wird am Reinertonishof fündig. Zwar brannte das ursprüngliche Gebäude 2006 ab, den Neubau hat die Familie Duffner jedoch in denselben Dimensionen wiederhergestellt - mit der alten Räucherkammer als Kern.

Lebendes Lexikon führt durch die Geschichte

Seniorchefin Marianne Duffner führt an den Wochenenden durch die Räucherkammer, wo der Schwarzwälder Schinken noch auf ursprüngliche Art geräuchert wird. Wenn die 85-Jährige in astreinem Hochdeutsch durch das Räucherhaus mit Museum und Wohnräumen aus der damaligen Zeit führt, merken die Zuhörer sofort, dass sie nicht aus der Gegend stammt.

Der Nachtzug von Düsseldorf hatte sie in den 1970er-Jahren zum Urlaub in den Schwarzwald gebracht. Sie hatte sich in die Gegend verliebt - und in ihren späteren Mann, der als Witwer nicht nur den Hof, sondern sieben Kinder und gut zwei Dutzend Ponys versorgen musste.

In der Wohnstube des Reinertonishofs kommen bei der Brotzeit mit Schwarzwälder Schinken dann doch die Klischees zusammen. Unter einer Kuckucksuhr sitzend lässt sich auf einem Schrank der rote Bollenhut erspähen. Getragen hat ihn Marianne Duffner nie, ist er doch die Tracht der Unverheirateten. Zum Brauchtum gehört er in dieser Gegend aber dazu.

Mehr Informationen: Hochschwarzwald Tourismus
www.hochschwarzwald.de
Tel.: 07652/1206-0

Anreise: Von Nürnberg aus sind es mit dem Auto etwa 340 Kilometer oder 4 Stunden bis nach Furtwangen. Die Bahn fährt über Karlsruhe bis nach Triberg oder über Freiburg bis nach Hinterzarten in 5 bis 6 Stunden. Ab der ersten Übernachtung gibt es die Konus-Gästekarte, mit der Busse und Bahnen im Schwarzwald umsonst sind. Zudem bietet der Tourismusverband ein E-Carsharing an, das für Gäste sogar 3 Stunden kostenlos ist.

Wanderwege: Zu Fuß lässt sich der Hochschwarzwald am besten über den Westweg erkunden. Von Pforzheim nach Basel führt er seit 1900 auf 285 Kilometer durch den Schwarzwald, als damals erster Fernwanderweg in Deutschland. Zu erkennen ist er an der roten Raute auf weißem Grund. Mehr als 400 Tourenempfehlungen sind in der Hochschwarzwald Touren App verfügbar.

Mountainbike: Seit 2021 gibt es ein neues Beschilderungssystem für Mountainbiker im Hochschwarzwald. Die gelben Wegweiser sollen ein gutes Miteinander von Radlern und Wanderern ermöglichen. Über 1000 Kilometer Wegenetz sind so bereits ausgeschildert.

Der ursprüngliche Reinertonishof brannte 2006 ab. Familie Duffner baute den Hof originalgetreu aus Holz wieder auf. 

Der ursprüngliche Reinertonishof brannte 2006 ab. Familie Duffner baute den Hof originalgetreu aus Holz wieder auf.  © Benjamin Huck

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