Hier hat König Charles III. früher gelebt

Kensington: Ein Streifzug durchs königliche London abseits des Massentrubels um die Krönung

6.5.2023, 06:00 Uhr
Vergleichsweise bescheiden ist der Kensington-Palast mitten in der Stadt, in dem auch Königin Victoria (hier als Denkmal davor) viel Zeit mit der Familie verbrachte.

© imago images/Daniel Scharinger Vergleichsweise bescheiden ist der Kensington-Palast mitten in der Stadt, in dem auch Königin Victoria (hier als Denkmal davor) viel Zeit mit der Familie verbrachte.

"Das hier also war ihr Zuhause", sagt Russell Nash fast feierlich und blickt durch das goldumrankte Gitter des Hoftors von Kensington Palace. "Er mag zwar nicht so bekannt sein wie der Buckingham Palace, aber er spielte im Leben der königlichen Familie eine wichtige Rolle".

Welche tragischen und herzzerreißenden Momente der Royals sich tatsächlich hinter den eher schlichten Backsteinmauern mit den hohen Sprossenfenstern abspielten, mag auch der versierte London-Führer nur erahnen. Mit seinen Geschichten aber erweckt Nash die Höhen und Tiefen der berühmtesten Palastbewohner zum Leben. Er erzählt etwa von der unglücklichen Königin Victoria, die hier im Palast geboren wurde.

Ihre deutsche Mutter, Victoire von Sachsen-Coburg-Saalfeld, verwitwete Fürstin zu Leiningen und neuvermählte Herzogin von Kent, war hochschwanger mit der späteren Jahrhundertmonarchin aus dem Odenwald nach London gezogen. Mit acht Monaten verlor Victoria ihren Vater aus dem ebenfalls deutschen Haus Hannover und zog nach ihrer Krönung als 18-Jährige vom ungeliebten Kensington in den Buckingham Palace.

Wilde Partys mit den Rolling Stones

Nash springt dabei von einer Generation zur nächsten und entlockt den königlichen Biografien farbenprächtige Details. Er erzählt von der Krönung Elizabeths II. und von den wilden Partys ihrer Schwester Prinzessin Margaret mit den Rolling Stones. Und natürlich von den Prinzen William und Harry, von Kate und Meghan, von Diana und dem späteren König Charles III.. "Die Touristen zieht es zum Buckingham Palace, zum Tower und nach Windsor", sagt Nash, "Kensington ist jedoch genauso Teil des königlichen London."

Ob nun königstreu oder nicht, als glühende Anhänger des Königshauses oder überzeugte Antimonarchisten – an diesem 6. Mai werden zehntausende Schaulustige aus dem Vereinigten Königreich und der ganzen Welt die Krönungsprozession zwischen Buckingham Palace und der Westminster Abbey verfolgen und hoffen, einen Blick auf Charles III. und Camilla zu erhaschen. Kensington ist alternativer royaler Fluchtpunkt, der sich auch nach der Krönung noch für einen Besuch lohnt. Hier können sie sich auf die Spuren der Frischgekrönten und ihrer bewegten Familiengeschichte begeben.

Der Buckingham Palace mag hinter säuberlich aufgereihten King's Guards und gepflegten Tulpenbeeten eine hochherrschaftliche Fassade für eine Königsfamilie stellen, an deren unumstößliche Bestimmung immer weniger glauben. Der Kensington Palace hingegen steht auch für den Zweifel an gottgegebenenen Würdenträgern und königlichen Traditionen – gerade jetzt, wenn zum vierzigsten Mal seit 1066 in der Westminster Abbey ein königliches Haupt gekrönt wird.

Ein Heim für Diana und die Prinzen

Sowohl William und Kate als auch Harry und Meghan waren eine Zeit lang nach ihrer Heirat im Kensington Palace zuhause. Hier lebten Charles und Diana nach ihrer pompösen Hochzeit 1981. Hier wuchsen die Prinzen auf. Lady Di hatte hier bis zu ihrem Tod ihre offizielle Residenz. "Ich war kurz, nachdem ich von ihrem Unfall erfahren habe, hier", erzählt Nash, "Auch ich habe Blumen niedergelegt." Der London-Führer zeigt die Stelle in einem Park, wo die Prinzessin von Wales gerne verweilt haben soll. Im Sunken Garden hinter dem Palast erinnert seit 2021 eine Statue Dianas (umgeben von drei Kindern) an ihre Wohltätigkeit. "Diana war anders als alle zuvor", sagt Nash.

Pikfeine Adresse: Gediegener Backstein in einer der teuersten Wohngegenden der Welt.

Pikfeine Adresse: Gediegener Backstein in einer der teuersten Wohngegenden der Welt. © imago images/ingimage

Vom Palast schlendert Nash durch die Kensington Gardens hinüber zum Round Pond, wo jauchzende Kinder Heerscharen von Tauben, Möwen und Gänsen füttern. Eine Truppe Schwäne betrachtet das Treiben mit aristokratischer Überheblichkeit. "Die Monarchie sehen viele wie eine Seifenoper", sagt Nash, "aber man muss die Personen in dieser Seifenoper von der Institution trennen."

Vom Round Pond ist es nicht weit bis zum prunkvollen Albert Memorial, das an den bei Coburg geborenen deutschen Gatten von Königin Victoria erinnert. Auch die umliegenden Straßenzüge zehren vom Glanz der royalen Nachbarn. Reiterstatuen, von Säulen getragene Balkone und imposante viktorianische Fassaden , vor denen protzige Sportwagen parken – die an Kensington Gardens grenzende Wohngegend gehört zweifellos zu den begehrtesten und teuersten in London.

Der Kensington Palace steht heute zum Teil Besuchern offen, derzeit läuft die Ausstellung "Crown to Couture". Sie zeigt wie die königliche Mode der georgianischen Epoche die zeitgenössische Mode auf den angesagtesten roten Teppichen und Shows der letzten Jahrzehnte für Stars wie Lizzo oder Lady Gaga inspiriert hat.

Nur wenige Minuten zu Fuß sind es zur pompösen Royal Albert Hall und dem Victoria & Albert Museum. Wer will, kann sich auch auf die Suche nach alltäglichen Orten aus dem Leben der Königsfamilie wie den Chepstow Villas-Kindergarten machen, den William und Harry besucht haben. In Kensington gibt es viele Pubs, Bars und Cafés.

Über manche munkelt man, dass der ein oder andere Royal hier bereits für einen Drink vorbeischaute. Meghan, die Duchess of Sussex, etwa soll in ihrer Londoner Zeit in der Stables Bar des Hotels The Milestone gesichtet worden sein. Von dem noblen Boutique-Hotel blickt man direkt auf die angrenzenden Kensington Gardens und den Palast.

Apfel-Zimt-Tee auf eleganten Etageren, dazu Räucherlachs-Sandwiches und Scones mit Erdbeermarmelade.

Apfel-Zimt-Tee auf eleganten Etageren, dazu Räucherlachs-Sandwiches und Scones mit Erdbeermarmelade. © Win Schumacher

Königlich und gemütlich zugleich geht es jedenfalls beim Afternoon Tea im The Milestone zu. Schon am frühen Nachmittag werden im viktorianischen Salon zu traditionellem Earl Grey und Apfel-Zimt-Tee auf eleganten Etageren Räucherlachs-Sandwiches, französische Törtchen und typische Scones mit Erdbeermarmelade und Cornish Clotted Cream gereicht. Zum Coronation Afternoon Tea gibt es ein eigenes royales Menü, bei dem auch das Feingebäck Krönchen tragen wird.

Mehr Informationen:
Das noble viktorianische Boutique-Hotel The Milestone liegt nur wenige Gehminuten von Kensington Palace. Der traditionelle Afternoon Tea wird auch Gästen angeboten, die nicht im Hotel nächtigen. Eine Reservierung ist erforderlich. www.milestonehotel.com
Der Kensington Palace steht Besuchern offen. https://www.hrp.org.uk/ kensington-palace/
Die pompöse Royal Albert Hall ist Londons wohl berühmteste Konzerthalle. www.royalalberthall.com
Das Victoria and Albert Museum beherbergt die größte Kunstgewerbe- und Design-Sammlung der Welt. www.vam.ac.uk

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