Burgen, Hollywood, Nachtleben

Rauh aber herzlich: Darum wird dieser Winzling im Atlantik gerade zum Trendziel

Martin Damerow

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16.5.2023, 08:00 Uhr
Belfast ist berühmt für seine Pub-Kultur, Live-Musik gibt es dort jeden Abend. Ein Abstecher ins "Cathedral Quarter" ist Pflicht für jeden, der herausfinden will, wo das Herz dieser Stadt schlägt.

© Brian Morrison Belfast ist berühmt für seine Pub-Kultur, Live-Musik gibt es dort jeden Abend. Ein Abstecher ins "Cathedral Quarter" ist Pflicht für jeden, der herausfinden will, wo das Herz dieser Stadt schlägt.

Nordirland ist für viele Reisende ein unbeschriebenes Blatt, hat es aber längst verdient, mehr als bloß ein Geheimtipp zu sein. Eine simple Möglichkeit, dorthin zu gelangen, ist ein günstiger Direktflug etwa ab Nürnberg nach Dublin – EU-Bürger brauchen dafür nur einen Personalausweis. Von dort aus geht es mit dem Bus oder Auto in knapp zwei Stunden nach Belfast.

Alle Unkenrufe, laut denen die Einreisemodalitäten für Großbritannien komplizierter sind als früher, verhallen dabei ungehört. Dass man die EU verlässt und ins Vereinigte Königreich fährt, merkt man nur an zwei Dingen: Die Geschwindigkeitsbegrenzungen wechseln von km/h zu Meilen pro Stunde, das britische Pfund löst den Euro als Zahlungsmittel ab. Sonst ist vom Grenzübertritt nichts zu merken.

In Belfast angekommen, spürt man rasch den Wandel, den dieser Ort durchlebt hat. Über viele Jahre hinweg war ein Abstecher nach Nordirlands Hauptstadt nicht unbedingt erste Wahl bei jenen, die die Insel erkunden wollten. An kaum einem anderen Ort war die Gewalt der IRA, der "Irish Republican Army", sichtbarer. Doch das ist mittlerweile 25 Jahre her, heute gilt Belfast als eine der sichersten Großstädte Großbritanniens.

Kunst an den Hausfassaden

Der Konflikt von damals ist heute nur mehr eine Touristenattraktion, es gibt diverse Touren zu Schauplätzen des einstigen Bürgerkriegs. Im Westen der Stadt, vor allem in der Falls Road, prangen an den Hauswänden kunterbunte Darstellungen von Mitgliedern oder Sympathisanten der IRA, die im Kampf oder im Gefängnis ihr Leben gelassen haben. Manchmal sieht man dort noch den verblassten Slogan "Tiocfaidh ár lá" (Unser Tag wird kommen).

Im Stadtzentrum selbst ist von den ehemaligen Auseinandersetzungen nichts mehr zu sehen. Dort findet sich ein damals viel bombardiertes Gästehaus, das Europa-Hotel. Heute ist es eine der besten Adressen der Stadt. Im unweiten Cathedral Quarter reihen sich kleine Läden, Clubs, Restaurants und Pubs aneinander. Die Nordiren sind extrem zugänglich und freundlich, das fällt sofort auf.

Abends herrscht ausgelassene Stimmung, Einheimische und Besucher lachen, trinken und singen bei Live-Musik miteinander. Längst gibt es auf den Speisekarten weitaus mehr als "Fish and Chips", die lokale Küche hat sich stark erweitert. Die Pint of Guinness ist geblieben, probieren sollte man aber auch ein Red Ale oder ein Belfast Black.

Oberhalb des Unesco-Welterbes Giant's Causeway findet sich einer der schönsten Steilküstenabschnitte an der nordirischen Küste. 

Oberhalb des Unesco-Welterbes Giant's Causeway findet sich einer der schönsten Steilküstenabschnitte an der nordirischen Küste.  © Courtesy of Tourism Northern Ireland

Tagsüber lädt der St. George‘s Market zum Bummeln ein. In dem riesigen Backstein-Gebäude von 1896 bieten Händler freitags, samstags und sonntags regionale Köstlichkeiten an. In der Hill Street, einem der Gässchen mit den ziegelroten Backsteinhäusern, kommt man nicht um einen Besuch im wohl berühmtesten Whiskeyladen der Stadt herum, "The Friend at Hand."

Die Iren sind mächtig stolz auf ihr Nationalgetränk und halten es der schottischen Konkurrenz für weit überlegen. In diesen Glaubenskrieg mischt man sich besser nicht ein, sondern lehnt sich beim Probieren zurück und denkt an die Worte des großen irischen Literaten George Bernard Shaw: "Whiskey ist flüssiges Sonnenlicht."

Der Whiskey-Berater spielte in Game of Thrones mit

Gut möglich, dass Jim Ingram, der dort Whiskey-Liebhaber berät, dem ein oder anderen bekannt vorkommt – auch wenn man noch zuvor noch nie in Belfast war. Der Mann mit dem mächtigen Rauschebart ist im Netflix-Blockbuster "Game of Thrones" mehrmals als Statist zu sehen gewesen. Allerdings nie sehr lang, "ich kam stets auf unschöne Weise zu Tode", gibt er im urigen nordirischen Akzent zum Besten und lacht. Die erfolgreiche Fantasy-Serie ist im Norden Irlands gleichsam allgegenwärtig, ein Großteil der Schauplätze findet sich auf der Insel wieder.

Hollywood ist inzwischen verliebt in die Gegend: Auch für den Fantasy-Blockbuster "Dungeons&Dragons – Ehre unter Dieben" machten sich die Filmteams zu mehreren Schauplätzen im Umland von Belfast auf. Gedreht wurde unter anderem im trutzigen Carrickfergus Castle, im Tollymore Forest Park (hier gibt es geführte Touren mit dem E-Mountain-Bike!) sowie in Ballintoy Harbour, einem der vielen kleinen pittoresken Hafenstädtchen an der rauen, felsigen Nordküste. Und der nächste Film ist schon in der Mache: In den Titanic-Studios in Belfast wird derzeit das Wikingerdorf Berk zusammengezimmert, für eine Verfilmung des Romans "Drachen zähmen, leicht gemacht", der als Animationsfilm große Erfolge feierte.

Hier hat die Titanic ihr eigenes Museum bekommen

Apropos Titanic: Ein Besuch in Belfast, ohne sich mit dem berühmten Ozeanriesen auseinanderzusetzen, ist nicht vorstellbar. Seine Jungfernfahrt trat das Kreuzfahrtschiff 1912 zwar von Southampton aus an; geplant, konstruiert und gebaut wurde es im Hafen von Belfast.

Auf dem Gelände der Werft "Harland & Wolff" steht das Titanic-Belfast-Museum, das den gesunkenen Luxusdampfer mit historischen Ausstellungsstücken, Videoprojektionen, Hologrammen und interaktiven Touchscreens zu neuem Leben erweckt. Dass die Titanic untergangen ist, halten die Nordiren den Engländern heute noch vor: "Of course she was unsinkable when she left the port. But then she met an english captain", murmelt der Fremdenführer Billy Scott und grinst verschmitzt über diesen kleinen Seitenhieb in Richtung London.

Wer vom Stadtleben genug hat und die Weite der Natur sucht, hat es in Nordirland leicht. Mit dem Auto geht es von Belfast aus in Richtung Norden, vorbei an Whitehead und Larne, weiter in Richtung Glenarm und Cushendall. Rechts neben der Straße schlagen die Wellen ans Ufer, links erstrecken sich saftige, hügelige Grünflächen. Und wer etwas ganz Besonderes sehen will, fährt weiter bis zum Unesco-Welterbe Giant’s Causeway, dem "Damm des Riesen" – ein Naturwunder, das in Europa ohnegleichen ist. Zehntausende sechseckige, rund 60 Millionen Jahre alte Basaltsäulen stehen dort am Meeresufer, für den Besucher leicht zugänglich.

Burgen, Wälder, Berge, Kunst, Kultur, Kulinarik, herzliche Menschen, die Steilküste und das Meer – Nordirland hat all dies im Überfluss zu bieten, auf kleinster Fläche. Daher ist es ideal für alle, die möglichst viel erleben wollen, ohne große Entfernungen zurücklegen zu müssen.

Mehr Informationen:
https://discovernorthernireland.com
Tel.: 0044 / 028 90 23 12 21
https://belfasttours.com/
https://www.bikemourne.com/tours/tollymore-forest-e-bike-safari
Anreise:
Von Nürnberg mit Ryanair oder ab München mit Aer Lingus nach Dublin und von dort weiter mit Bus oder Mietwagen
www.ryanair.de oder www.aerlingus.com
Beste Reisezeit: Mai bis September

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