Dieses Land passt in keine Schublade

Tunesien ist viel mehr als Meer: Unsere Rundreise führt Sie an die spannendsten Orte

Lidia Piechulek

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27.4.2023, 12:00 Uhr
In Tunesiens Hauptstadt Tunis leben 2,5 Millionen Einwohner. Ein zentraler Ort der Begegnung ist der Marchée Central, der große Markt, auf dem jede Art von Lebensmitteln und Gewürzen angeboten werden.

© Lidia Piechulek In Tunesiens Hauptstadt Tunis leben 2,5 Millionen Einwohner. Ein zentraler Ort der Begegnung ist der Marchée Central, der große Markt, auf dem jede Art von Lebensmitteln und Gewürzen angeboten werden.

Was auch immer man meint, über Tunesien zu wissen, vergisst man nach wenigen Tagen. Es dauert lange, bis man es als Fremder begreift. Vielleicht gelingt es auch nie, die Kultur und Geschichte ganz zu durchdringen. Und vielleicht macht ja gerade auch das den Reiz dieses Landes aus.

Weder Orient noch Afrika

Geografisch liegt Tunesien in Afrika, ist aber nur wenige Stunden mit der Fähre von Sizilien entfernt. Das ebenfalls nordafrikanische Marokko ist touristisch aber viel besser erschlossen. Im Südosten beginnt der Orient, aber Tunesien ist westlicher geprägt - zwar ist das Land muslimisch, aber weniger streng als andernorts.

Das ursprüngliche Volk sind hier die Berber. Tausend Jahre vor Christus gründeten die Phönizier hier die Handelsmetropole Karthago. Es folgten die Römer, im 7. Jahrhundert kamen die Araber und zwangen den Berbern den Islam auf. 1881 wurde Tunesien zum französischen Protektorat. Jede Invasion brachte eigene Bauwerke und Gebräuche, aber auch Zerstörung mit sich.

Ein Land, das in keine Schublade passt

Zurück blieb ein Land, dass in keine Schublade passt und gerade deswegen spannend ist. Es ist nur halb so groß wie Deutschland und mit dem Mietwagen recht gut zu erkunden.

Kairouan, Sousse und El Jem sind Städte, von denen in Deutschland kaum jemand gehört hat. Dort haben Touristen die Möglichkeit, ein authentisches und noch recht unberührtes Tunesien kennenzulernen - etwa bei einem Spaziergang durch Kairouans Medina.

Kairouan, Sousse und El Jem sind Städte, von denen in Deutschland kaum jemand gehört hat. Dort haben Touristen die Möglichkeit, ein authentisches und noch recht unberührtes Tunesien kennenzulernen - etwa bei einem Spaziergang durch Kairouans Medina. © Lidia Piechulek

Einen ersten Eindruck gibt Tunesiens Hauptstadt Tunis. Hier leben etwa 2,5 der insgesamt zwölf Millionen Einwohner. Der perfekte Ausgangspunkt für einen Rundgang ist die in arabischen Städten als Medina bezeichnete Altstadt von Tunis.

Hier gibt es viele schöne fotogene Gassen mit leuchtend gelb und blau gestrichenen Türen und weißen Fassaden. In manchen Häusern sind zur Straße hin Verkaufsflächen entstanden, in denen etwa eine Schneiderin auf fünf Quadratmetern ihre Werkstatt betreibt oder eine junge Frau im Kopftuch Fladenbrot backt.

Als die Medina verfiel

Zur Übernachtung in der Medina bieten sich eben solche traditionellen Häuser an. Als sie verfielen, überließen die Bewohner sie ihrem Schicksal, weil sie das Geld für Renovierungen nicht aufbringen konnten. Im "Dar Ben Gacem" hat Unternehmerin Leila Ben Gacem ein Gasthaus für Touristen auf der Suche nach einem authentischen Aufenthalt geschaffen. Sie kaufte das Gebäude 40 verschiedenen Familienmitgliedern ab und restaurierte es.

Verlassen sollten Sie Tunis nicht, ohne zwei weitere Orte besucht zu haben: die Ausgrabungsstätte von Kathargo und das Künstlerviertel Sidi Bou Said. Sidi Bou Said ist die arabische Antwort auf die griechische Insel Santorini. Über dem glitzernden Meer thronend, verzauberten seine Straßen einst Künstler wie Paul Klee und August Macke.

Kairouan, das islamische Zentrum des Landes

Eine ganz andere Seite zeigt das Land in Kairouan, das etwa zwei Autostunden südlich von Tunis im Landesinneren gelegen ist. Kairouan gilt neben Mekka, Medina und Jerusalem als die vierte heilige Stätte des Islam. Einen Besuch wert sind aufgrund ihrer Schönheit die Barbiermoschee sowie die Zentralmoschee innerhalb der Medina. Die Stadt gilt als Zentrum der Teppichknüpfer und Kalligraphen. Eine besondere Süßspeise sind die "Makrout", Grießkekse, die mit einer Dattelpaste gefüllt sind.

Wer auf der Suche nach einem schönen Teppich ist, wird in Kairouan ebenfalls fündig. In etlichen Gassen der Medina locken die Teppichhändler mit ihren Waren.

Wer auf der Suche nach einem schönen Teppich ist, wird in Kairouan ebenfalls fündig. In etlichen Gassen der Medina locken die Teppichhändler mit ihren Waren. © Lidia Piechulek

Rund 50 Kilometer entfernt liegt Sousse, die viergrößte Stadt Tunesiens, mit einer wunderschönen Medina und dem Flair einer Hafenstadt. In ihren verwinkelten Gassen kann man stundenlang umherlaufen und jede Menge Lampen, Teppiche und Gewürze erstehen. Wer müde Beine hat, sollte im Cafe Kasbah einkehren und bei einem "Mokka" die Passanten beobachten.

Ein Staatspräsident, der das Land gen Westen führte

Entlang der Mittelmeerküste verbindet eine Art Schnellzug die Städte Sousse mit den südlicheren Hafenstädten Monastir und Mahdia. Nach Monastir fährt man in gerade einmal zehn Minuten. Neben großer Hotelanlagen am Strand gibt es hier auch noch ein sehr spannendes Museum: Die einstige Sommerresidenz von Habib Bourguiba. In den 1960er Jahren entstanden, überrascht es mit einer außergewöhnlich futuristischen Bauart und lässt erahnen, wie Tradition und Moderne schon damals in diesem Land aufeinander trafen.

Bourguiba führte Tunesien 1956 in die Unabhängigkeit und stand bis 1987 als Staatspräsident an der Spitze Tunesiens. Er verfolgte eine westlich ausgerichtete Politik, sah Islamisten als existentielle Bedrohung für den Fortschritt seines Landes und bezeichnete den Schleier als „abscheulichen Fetzen“. Seine Überzeugungen waren mit Blick auf die zur damaligen Zeit in den umliegenden arabischen Staaten stattfindenden politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen visionär und modern.

So bunt wie ein Mosaik

Ein interessanter Ort ist auch El Jem (arabisch für: "die Festung"), das nur eine Autostunde entfernt ist. Überraschenderweise steht hier das drittgrößte Kolosseum der Welt. Es wurde 258 erbaut, als Tunesien Teil des Römischen Reiches war. Getreu dem Motto "Brot und Spiele" wurden hier für 30.000 Menschen Kämpfe zwischen Löwen und Gladiatoren ausgetragen.

Überraschenderweise steht in "El Jem" das drittgrößte Kolosseum der Welt. Es wurde 258 erbaut, als Tunesien Teil des Römischen Reiches war.

Überraschenderweise steht in "El Jem" das drittgrößte Kolosseum der Welt. Es wurde 258 erbaut, als Tunesien Teil des Römischen Reiches war. © Lidia Piechulek

Einen kleinen Spaziergang entfernt befindet sich das Archäologische Museum von El Jem. Es stellt hunderte großflächiger Mosaike aus, die bei Ausgrabungen in den umgebenden Straßenzügen und Städten gefunden worden sind. Sie sind ein Sinnbild dieses Land mit all seinen Facetten und schwer zu fassenden Identität.

Mehr Informationen:

Discover Tunisia

www.discovertunisia.com/de
Anreise:
Direktflüge nach Tunis gibt es von München, Düsseldorf und Frankfurt aus, von Berlin, Hannover und Hamburg aus geht es direkt nach Monastir.
Beste Reisezeit:
Sommerurlaub von Juni bis Mitte Oktober.

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