Ältere Patienten im Blick

Demenz oder Delir: Klinikum Nürnberg startet Modellprojekt

26.8.2021, 11:00 Uhr
Für Patienten mit der Zusatz-Diagnose Demenz oder Delir ist der Aufenthalt im Krankenhaus Stress - oft verschlechtert sich ihr Zustand. 

© imago images/Petra Schneider Für Patienten mit der Zusatz-Diagnose Demenz oder Delir ist der Aufenthalt im Krankenhaus Stress - oft verschlechtert sich ihr Zustand. 

Bis zu 40 Prozent der Patienten in Krankenhäusern haben kognitive Defizite oder eine Demenz. Die ungewohnte Umgebung, die fremden Klinik-Mitarbeiter, ein anderer Tagesablauf: Den Betroffenen geht es in der Klinik oft schlechter, mitunter entwickelt sich ein akutes Verwirrtheitssyndrom (Delir). Für die Patienten kann dies dramatisch sein, wie Prof. Markus Gosch, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin 2 (Schwerpunkt Geriatrie), berichtet: "Der Patient weiß etwa nicht, wo er ist, er hat keine Orientierung oder hat Halluzinationen." Mitunter entstehe ein schweres Trauma.

Ein Delir kann Menschen in jedem Lebensalter treffen. Doch es ist eben auch bekannt: Je älter der Mensch, desto gefährdeter ist er. Zudem sind Demenz-Patienten besonders gefährdet, in einen akuten Verwirrtheitszustand zu geraten.

Das Problem verschärft sich

Demenz ist ein Problem, das die Krankenhäuser schon lange kennen - und das sich weiter verschärfen wird. Unsere Gesellschaft wird immer älter, und so nimmt auch die Anzahl der Menschen mit Demenz zu. Nach Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums leben derzeit über 240.000 Menschen mit Demenz im Freistaat, Tendenz steigend. Das Ministerium verweist darauf, dass es laut Schätzungen im Jahr 2030 bereits 300.000 Betroffene sein werden.

Das Klinikum hat demente Patienten schon seit Jahren im Blick. So engagieren sich seit 2011 Ehrenamtliche für Betroffene: Die Helfer besuchen die verwirrten Patienten, lesen ihnen vor, gehen mit ihnen einige Meter - und geben so ein bisschen Halt und Sicherheit. Das Konzept hat sich bewährt und kann auch jetzt in der Pandemie weitergeführt werden.


Von Süd bis Nord: Das sind Nürnbergs Kliniken


Mit der neuen Modellstation für Patienten mit der Zusatz-Diagnose Demenz oder Delir geht das Klinikum einen Schritt weiter. Prof. Sascha Pahernik, Chefarzt der Klinik für Urologie, sagt: "Wir sind sehr dankbar für diese Initiative." Und warum wurde eigentlich die Urologie hier ausgewählt? Pahernik erläutert: "Wir haben hier viele ältere Patienten." Auf der Station mit 31 Betten werden Patienten mit Erkrankungen an Blase, Niere, Harnleitern und Harnröhre behandelt, zudem werden Erkrankungen an männlichen Geschlechtsorganen behandelt. "Die Hälfte der Patienten, die wir operieren, ist über 75 Jahre alt", berichtet Pahernik.

Orientierungslos und verwirrt

Für die Beschäftigten, deren Klinikalltag streng getaktet ist, ist diese besondere Personengruppe oft eine Herausforderung. Patienten, die orientierungslos und verwirrt sind, verlassen mitunter das Zimmer. Sie klettern aus dem Bett und stürzen dabei vielleicht. Sie irren auf anderen Stationen herum. Andrea Nätscher von der Pflegedienstleitung sagt: "Es ist zeitaufwändig und auch belastend, solche Patienten zu pflegen."

Am Klinikum Nürnberg entsteht eine Modellstation für Patienten mit Zusatz-Diagnose Demenz und Delir. Hinter dem Projekt stehen Prof. Markus Gosch, Chefarzt Klinik für Innere Medizin 2, Prof. Sascha Pahernik, Chefarzt der Klinik für Urologie und Pflegedienstleiterin Andrea Nätscher. 

Am Klinikum Nürnberg entsteht eine Modellstation für Patienten mit Zusatz-Diagnose Demenz und Delir. Hinter dem Projekt stehen Prof. Markus Gosch, Chefarzt Klinik für Innere Medizin 2, Prof. Sascha Pahernik, Chefarzt der Klinik für Urologie und Pflegedienstleiterin Andrea Nätscher.  © Giulia Iannicelli/Klinikum Nürnberg, NNZ

Auf der Urologie-Modellstation wird sich nun einiges ändern. So sind bereits alle Ärzte und Pflegekräfte zum Thema Demenz und Delir eingehend geschult worden. Eine detaillierte Anamnese bei der Aufnahme des Patienten steht im Fokus: Dabei werden familiärer Hintergrund, persönliche Vorlieben oder Risikofaktoren für Demenz oder Delir abgefragt. Dann werden alle Patienten ab 70 Jahren dreimal täglich per Sreening auf neu auftretende Delir-Symptome hin untersucht.

"Ein wichtiger Punkt ist die patientenfreundliche Gestaltung der unmittelbaren Umgebung", sagt Andrea Nätscher. Bei Bedarf können sich Patienten ein Symbol - etwa einen bunten Vogel - aussuchen: Dieser bunte Vogel wird dann etwa an die Zimmer- oder Toiletten-Tür geheftet und weist den Weg. Uhren in den Zimmern - in Nordklinikum eigentlich keine Selbstverständlichkeit - geben eine zeitliche Orientierung. Servicekräfte und Ehrenamtliche werden für eine zusätzliche Betreuung ins Boot geholt und können eine Nachtwache am Bett bieten.

Und auch die Familie wird ins Boot geholt: So können, wenn der Platz es zulässt, Bezugspersonen mit auf die Station aufgenommen werden. Der Modellversuch läuft vorerst bis April 2022 und soll evaluiert werden. Das Klinikum will das Projekt prinzipiell ausbauen - und die ersten Abteilungen haben schon jetzt ihr Interesse bekundet.

Keine Kommentare