Zoochef Dag Encke warnt vor weiterem Artensterben

"Die Hälfte aller Tiere haben wir bereits verloren"

Michael Husarek

Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

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29.1.2023, 12:00 Uhr
Dag Encke leitet den Nürnberger Tiergarten seit 2005.

© Eduard Weigert Dag Encke leitet den Nürnberger Tiergarten seit 2005.

Klimawandel ist eines der beherrschenden Themen unserer Zeit. Dass unter der Erderwärmung auch viele Tier- und Pflanzenarten leiden, wird oft vergessen. Dabei ist es längst an der Zeit, dem Artenschwund entschiedener als bislang entgegenzutreten. Ansonsten droht Ungemach: "In der Summe haben wir weit über die Hälfte aller Tiere in der Welt verloren, auch wenn viele Arten der geschrumpften Populationen in Nischen überleben", warnt Tiergartenchef Dag Encke.

Eine solche Nische ist der Tiergarten Nürnberg. Dessen Chef, Dag Encke, blickt mit Sorge in die Zukunft, setzt allerdings zugleich auf die positive Wirkung von Zoos für den Artenschutz. Diesen Effekt beschreibt der promovierte Biologe so: "Zoos waren bei ihrer Entstehung Konsumenten von Tieren aus aller Herren Länder. Sie lernten, Tiere gut zu halten, zu vermehren und zu verstehen. Dadurch sind Zoos heute relevante Partner im Artenschutz. Das know how der Zoos ist einzigartig und mit den in der Natur ausgestorbenen Tieren, die wir in Zoos gerettet haben und retten werden, können wir der Natur nun mehr zurückgeben als wir ihr ursprünglich genommen haben."

Allerdings, das betont Encke, müssten alle denkbaren Anstrengungen unternommen werden, um das Artensterben zu stoppen. "Der Klimawandel wird das Leben auf der Erde grundlegend verändern. Um die Erwärmung auf ein überlebensfähiges Maß zu begrenzen, darf keine Zeit mehr verloren werden. Jedes verlorene Jahr kostet viele Leben in der Zukunft, sowohl Menschenleben als auch Tier- und Pflanzenleben. Deshalb müssen wir sofort mit konkreten Maßnahmen beginnen, die den CO2-Ausstoß aus fossilen Energieträgern reduzieren. Das muss alle unsere Entscheidungen leiten."

Aushängeschild des Nürnberger Tiergartens: Der Blaue Salon, ein Teil der Lagune.

Aushängeschild des Nürnberger Tiergartens: Der Blaue Salon, ein Teil der Lagune. © Michael Matejka

Und was können wir konkret tun, um die drohenden Katastrophe zu verhindern? "Flora und Fauna benötigen eine echte Transformation unserer Wirtschaft und unserer westlichen Gesellschaften. Da die menschlichen Einflüsse die Grundlagen für unzählige Organismen und Systeme zerstören, können wir nicht mehr nur bewahren, indem wir bestimmte Gebiete unter Schutz stellen.

Dafür ist es bereits zu spät. Wir müssen eingreifen, Lebensräume wiederherstellen, verändern, gestalten. Kein Habitat wird bleiben wie es ist, da es dem Klimawandel ausgesetzt ist und alle menschlichen Zerstörungen ja immer noch weitergehen… Deshalb reicht „Conservation“ nicht mehr aus, sondern muss durch „Intervention“ ergänzt und oft ersetzt werden", betont Encke.

Der Talk mit dem Tiergartenchef beginnt am kommenden Mittwoch, 1. Februar, um 13 Uhr in der Vesperkirche. Die weiteren Gäste sind am 8. Februar der frühere Ministerpräsident Günther Beckstein und am 15. Februar die Pianistin Hilde Pohl.

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