Nach Kriegsende 1945 türmten sich Schutt und Trümmer rund um das Albrecht-Dürer-Denkmal auf. Mitten drin ragt das unversehrte Standbild auf. Dieser Anblick wurde zu einer Bildikone der Nürnberger Wiederaufbaujahre.
© Ray D’Addario
Nach Kriegsende 1945 türmten sich Schutt und Trümmer rund um das Albrecht-Dürer-Denkmal auf. Mitten drin ragt das unversehrte Standbild auf. Dieser Anblick wurde zu einer Bildikone der Nürnberger Wiederaufbaujahre.

Anregung von ganz oben

Ein Meisterwerk aus zwei Tonnen Bronze: Wie Nürnberg zu seinem Albrecht-Dürer-Denkmal kam

Fotografieren bei Nacht, noch dazu im Winter, ist eine Kunst für sich, technisch wie künstlerisch. Beides war für Emil Richter keine Herausforderung: Als versierter Fotograf und Vorsitzendem des "Photo-Clubs SSW" beherrschte er sein Hobby aus dem "FF". Und verhalf uns dadurch zu einem der wohl schönsten Winternachtbilder des alten Nürnberg. Rosemarie Beigel, die heute die umfangreiche Sammlung ihres Vaters hütet, hat es uns zur Verfügung gestellt.

Leise rieselt der Schnee – und hüllt den Albrecht-Dürer-Platz 1939 in eine reizvolle Lichtstimmung. So schön kann eine Winternacht sein.

Leise rieselt der Schnee – und hüllt den Albrecht-Dürer-Platz 1939 in eine reizvolle Lichtstimmung. So schön kann eine Winternacht sein. © Emil Richter /Sammlung Rosemarie Beigel

Es war wohl 1939 – der im Hintergrund links geparkte Mercedes W 153 kam in diesem Jahr heraus –, als Richter zum Jahresende seine Kamera an der Nordostseite des Albrecht-Dürer-Platzes aufstellte und das Monument des Künstlerfürsten in halber Rückansicht einfing. In der Lichtstimmung und Perspektive liegt der besondere Wert der Aufnahme. Denn Richter war nicht der Erste, der Nürnbergs berühmtesten Sohn in Bronze ablichtete. Doch taten es alle anderen in der konventionellen Blickrichtung von Süden gegen die Kaiserburg.

Damals, wenige Monate nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, atmete der Platz noch den Geist des späten Mittelalters. In reichsstädtischer Zeit gehörte der Milchmarkt, wie er dereinst hieß, zu den nobelsten Wohnlagen der Stadt, an denen etwa der Verleger Anton Koberger und Ratsherr Hans IV. Tucher ihre Häuser hatten. Hier, ganz in der Nähe seiner Wohnstätten an der Burgstraße und am Tiergärtnertor, sollte denn auch dem Künstlerheros Albrecht Dürer dem Jüngeren zu seinem 300. Todestag 1828 ein Denkmal gesetzt werden. Es war die Zeit der Romantik, in der die Begeisterung für das Mittelalter und die Renaissance, seine Kunst und seine Künstlerpersönlichkeiten erwachte, auch und gerade in Nürnberg. Noch als Kronprinz hatte König Ludwig I., ein erklärter Altertumsfreund, seinen Bau angeregt und war bei den Nürnbergern auf offene Ohren gestoßen.

Wir haben gekniffen und unser Vergleichsbild 2025 an einem Vormittag geschossen – ohne Schnee, dafür mit noch viel mehr und wesentlich klobigeren Blechkisten.

Wir haben gekniffen und unser Vergleichsbild 2025 an einem Vormittag geschossen – ohne Schnee, dafür mit noch viel mehr und wesentlich klobigeren Blechkisten. © Sebastian Gulden

Gleichwohl war der Milchmarkt nur die dritte Wahl: Die zunächst geplanten Aufstellungsorte auf dem Hauptmarkt und der Burgfreiung hatte die Stadt aus Kostengründen verworfen. Nicht so berauscht waren die Ratsherren übrigens über des späteren Königs Idee, Dürers Ebenbild von einem "Breißn" modellieren zu lassen: Christian Daniel Rauch (1777-1857), der sich beim Entwurf von Dürers Selbstbildnis im Pelzrock anregen ließ.

Während das noch anging – immerhin galt der Wahl-Berliner als einer der begabtesten Bildhauer seiner Zeit – war bei der Vorgabe, der Bronze-Dürer müsse in München bei Johann Baptist Stiglmaier gegossen werden, der Ofen aus. Mit dem etwas indignierten Verweis auf Nürnbergs reiche Kunstgießerei-Tradition kam der berühmte Nürnberger Kunstgießer Jacob Daniel Burgschmiet zum Zuge. Mit ordentlicher Verspätung wurde das Denkmal mit der gut zwei Tonnen schweren Statue an Dürers 369. Geburtstag am 21. Mai 1840 feierlich eingeweiht.

Da thront der Künstlerfürst. Bewaffnet mit Pinsel, Stift und Lorbeerzweig als Zeichen der Ehrerbietung wacht er seit 1840 über seine Heimatstadt.

Da thront der Künstlerfürst. Bewaffnet mit Pinsel, Stift und Lorbeerzweig als Zeichen der Ehrerbietung wacht er seit 1840 über seine Heimatstadt. © Sebastian Gulden

Heute sind das Denkmal, der gotische Erker an der Altstadt-Apotheke, der Sebalder Pfarrhof und das Schürstabhaus alles, was vom Platz-Ensemble aus Richters Zeiten geblieben ist. 1945 stand Rauchs Meisterwerk, das im Gegensatz zum Schönen Brunnen keine schützende Ummantelung bekommen hatte, inmitten ausgebrannter Ruinen. Der geradezu bizarre Blick auf die unversehrte Statue, die einsam inmitten der Zerstörung steht, wurde zu einer der Bildikonen Nürnbergs der Wiederaufbaujahre. Also fast unversehrt: Das klassizistische Postament, ein Werk Friedrich von Gärtners, war im Krieg lädiert, wenn auch nicht schwer zerstört worden. Dennoch entschied man sich für einen Ersatzbau in den nüchternen Formen der Zeit.

Das Schicksal meinte es gut mit dem Albrecht-Dürer-Platz: Die Väter des Wiederaufbaus und seine Architekten sorgten durch eine umsichtige Leitplanung dafür, dass die historischen Strukturen wiederhergestellt wurden und die neue Bebauung Rücksicht auf das traditionelle Bild der Altstadt nahm. Dadurch ist der Albrecht-Dürer-Platz heute ein gelungenes Beispiel für den "Nürnberger Weg" des Wiederaufbaus, der zu Recht den Schutz des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes als Ensemble genießt. Der große Albrecht Dürer wäre sicher zufrieden mit dem Ergebnis, auch wenn der Schmerz über das Verlorene wohl nie vergeht.

Diese Serie lädt zum Mitmachen ein. Haben Sie auch noch alte Fotos von Ansichten aus Nürnberg und der Region? Dann schicken Sie sie uns bitte zu. Wir machen ein aktuelles Foto und erzählen die Geschichte dazu. Per Post: Nürnberger Nachrichten/Nürnberger Zeitung, Lokalredaktion, Marienstraße 9, 90402 Nürnberg; per E-Mail: redaktion-nuernberg@vnp.de. Noch viel mehr Artikel des Projekts "Nürnberg – Stadtbild im Wandel" mit spannenden Ansichten der Stadt und Hintergründen finden Sie unter www.nuernberg-und-so.de/thema/stadtbild-im-Wandel oder www.facebook.com/nuernberg.stadtbildimwandel

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