
Wiedersehen nach Jahrzehnten
Erstes Klassentreffen nach 70 Jahren: Nürnberger Mitschüler von 1953 gesucht
In Erinnerungen schwelgen, uralte Geschichten auspacken und sehen, was aus den anderen so geworden ist. Die Freude, sich bei einem Klassentreffen wiederzusehen, ist meistens groß. Vorher braucht es allerdings jemanden, der das Ganze organisiert. Gerhard Flechtner möchte dieser Jemand sein. Das Besondere an seinem Vorhaben: Es wird das erste Klassentreffen nach 70 Jahren.
"Wenn nicht jetzt, wann denn dann?", dachte sich der 76-Jährige. Nach dem Tod seiner Frau, die er jahrelang gepflegt hat, nahm er das Projekt in Angriff. Ein Schwarz-Weiß-Foto zeigt seine 1. evangelische Klasse für Knaben und Mädchen am Lutherschulhaus in der Nürnberger Südstadt. 42 Mädchen und Jungen wurden am 3. September 1953 eingeschult.

Das Problem: Seine Volksschulklasse wurde bereits 1958 aufgelöst. Die meisten haben sich danach aus den Augen verloren. "Deshalb scheint die Idee vielleicht etwas verrückt, genau 70 Jahre nach unserer Einschulung das allererste Klassentreffen zu diesem Jubiläum veranstalten zu wollen", räumt Flechtner ein.
"Uns war richtig schlecht"
An seinen ersten Schultag am Lutherplatz kann er sich noch gut erinnern. Daran, wie aufgeregt seine Mutter und er waren: "Uns war beiden richtig schlecht." Sein Vater machte noch ein Foto von ihm mit der Schultüte, ehe er zur Arbeit musste.
Rasch lernte der junge Gerhard neue Freunde kennen. Am meisten würde er sich freuen, seinen damals besten Freund Harald, einen Bäcker-Sohn aus der Wölckernstraße, nach all den Jahren wieder zu treffen.
Die meisten Namen hat Flechtner, der aus der Ecke Gibitzenhof/Hummelstein stammt und heute in Wolkersdorf wohnt, aus dem Gedächtnis, per Online-Recherche und mit Hilfe sozialer Netzwerke zusammentragen können. Telefonisch habe er nicht immer das gewünschte Ergebnis erzielt, selbst wenn am anderen Ende der Leitung Namensgleichheit mit der gesuchten Person herrschte. Bei manchen war ihm nur noch der Vorname geläufig, Fragezeichen sind geblieben.
Schwierige Suche
Manche haben geheiratet und einen anderen Nachnamen angenommen, mehrere Mitschüler sind bereits verstorben. Klassenlisten von Schule oder Schulamt, hat er nachgeforscht, existieren schon länger nicht mehr. Von den Kirchengemeinden hat Flechtner zu seinem Bedauern aus Datenschutzgründen keine Auskünfte erhalten.

Unterstützung erhielt er unter anderem von einem Mitschüler, der einige Adressen zusammengetragen hatte. Allen Widrigkeiten zum Trotz hat Flechtner bereits 18 Mitschülerinnen und Mitschüler von einst ausfindig machen können und bereits 14 Zusagen erhalten. "Unser erstes Klassentreffen wird also auf jeden Fall stattfinden", sagt er stolz. Wann? Natürlich am 3. September 2023, auf den Tag genau 70 Jahre nach der Einschulung.
Mit der heutigen Schulleitung hat er bereits Kontakt aufgenommen. So soll es, obwohl das Treffen auf einen Sonntag fällt, eine Führung durch die Adam-Kraft-Realschule, wie die Lutherschule heute heißt, geben.
Gerne melden
Erfahrung, Klassentreffen zu organisieren, hat Flechtner schon zuvor gesammelt. So gelang es ihm, viele damalige Mitschülerinnen und Mitschüler der Gewerbemittelschule - heute Peter-Vischer-Realschule - wieder zu vereinen. Seit zehn Jahren treffen sie sich regelmäßig einmal im Jahr.
Flechtner, der als Kind gerne Fußball oder mit der Spielzeugeisenbahn spielte, ist gespannt, ob mit der einstigen Volksschulklasse Ähnliches gelingen kann. Er ruft ehemalige Mitschülerinnen und Mitschüler auf, sich gerne unter der Telefonnummer 0176 45 55 28 08 bei ihm zu melden.