Schwache Beteiligung auf beiden Seiten

"Gefährliche Partei, radikal und rassistisch": Vehementer Protest gegen AfD-Kundgebung in Nürnberg

Anette Röckl

NN-Redaktion Gesellschaft

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Wolfgang Heilig-Achneck

Lokalredaktion

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15.4.2023, 19:37 Uhr
Zur AfD-Kundgebung am Jakobsplatz gab es eine Gegen-Kundgebung mit klaren Apellen. Beim Demozug des Antifaschistischen Aktionsbündnis Nürnberg (Foto) vorher liefen etwa 200 Teilnehmer mit.

© Stefan Hippel, NNZ Zur AfD-Kundgebung am Jakobsplatz gab es eine Gegen-Kundgebung mit klaren Apellen. Beim Demozug des Antifaschistischen Aktionsbündnis Nürnberg (Foto) vorher liefen etwa 200 Teilnehmer mit.

Stell dir vor, es ist AfD-Demo und keiner geht hin. Oder jedenfalls längst nicht so viele wie erwartet: 750 Teilnehmer hatten die Veranstalter für die "Kundgebung für den Frieden" der Alternative für Deutschland (AfD) am Jakobsplatz bei der Stadt angemeldet. Rund 200 kamen am Samstagnachmittag bei Kälte und Nieselregen dann laut einer Schätzung der Polizei - der Veranstalter spricht von 300 - ,um unter anderem den Parteivorsitzenden Tino Chrupalla auf der Bühne sprechen zu hören.

Der will die AfD als "Friedenspartei" etablieren. "Dem Frieden eine Chance" lautete das Motto der Demo, die ein Auftakt zu weiteren Kundgebungen deutschlandweit sein soll. Schilder mit Friedenstauben hielten einige der Teilnehmer vor der Bühne der AfD im hinteren Bereich des Jakobsplatzes in der Hand, Parteiflaggen wurden außerdem geschwenkt und Deutschlandfahnen.

"Nazis raus!" und "Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda" wurde dagegen von der vorderen Seite des Jakobsplatzes gerufen. Dort wehten viele Fahnen der Autonomen. Parallel zur AfD-Kundgebung hatte das Nürnberger Bündnis Nazistopp unter dem Motto "Kein Frieden mit der AfD" zur Gegen-Kundgebung aufgerufen. Das Antifaschistische Aktionsbündnis Nürnberg hatte einen Demonstrationszug vom Königstor durch die Altstadt zum Jakobsplatz organisiert und die meisten Teilnehmer der Gegendemo mitgebracht. Etwa 250 Gegendemonstranten hielten den Anhängern der AfD ihre Flaggen und viele Stinkefinger entgegen. "Man muss etwas gegen den Rechtsruck machen", deshalb sei er hier, meinte ein 61-Jähriger Nürnberger.

Die Teilnehmerzahl vor der AfD-Bühne blieb überschaubar.

Die Teilnehmerzahl vor der AfD-Bühne blieb überschaubar. © Stefan Hippel, NNZ

Mit Metallgittern war der Bereich der AfD und der Gegendemonstranten von einander getrennt, mit einem Sperrbereich, in dem die zahlreichen Einsatzkräfte der Polizei beide Lager genau beobachteten. Brisante Interaktionen gab es aber nicht. Nur einmal traten vier Jungspunde der AfD provokant an die Absperrung und hielten grinsend in Richtung Gegen-Demo ein riesiges Banner mit der Aufschrift "Globalisten Grenzen zeigen" hoch.

"Die Partei gehört verboten"

Das Aufgebot der mittelfränkischen Polizei war hoch, denn es war mit mehr Teilnehmern zu rechnen gewesen. Zumal die Bühne der AfD mit Chrupalla prominent besetzt war. "Zum Glück sind es nur wenige", meinte Lina Lieb, die mit ihrem Mann aus Forchheim zum Einkaufsbummel gekommen war. Spontan haben sie sich der Gegen-Demo angeschlossen, um ein Zeichen zu setzen gegen die AfD.

"Es ist eine gefährliche Partei, radikal und rassistisch", findet die 50-Jährige. Der Ansicht ist auch Mina Fink aus Erlangen, die gezielt zur Gegen-Demo nach Nürnberg gekommen ist, auch um ihren Kindern ein Vorbild zu sein. "Die Partei gehört verboten", findet die 50-jährige Krankenschwester. Links sei sie nicht. "Ich bin Mutter, ein ganz normaler Mensch". Schade sei es, dass so wenig ältere Leute auf die Straße gehe. "Es sind fast nur jungen Leute hier."

"Mit Ihnen rede ich nicht"

Mit Teilnehmern der AfD-Kundgebung ins Gespräch zu kommen, war gar nicht so leicht. „Mit Ihnen rede ich nicht“, wies eine ältere Dame den Reporter des Verlags Nürnberger Presse ziemlich barsch ab. Denn die Tagespresse wie auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist für viele hier ein rotes Tuch. Kein Wunder, dass einer der Redner die zahlreichen Social-Media-Aktivisten auf dem Platz aus den eigenen Reihen als die „wahren Journalisten“ lobte.

Ein junges Paar, das auf einem Stadtbummel tatsächlich aus reiner Neugier vorbeischaute, um sich eine Meinung zu bilden, war denn auch eine echte Ausnahme. Die meisten der rund 200 Anwesenden waren überzeugte Mitglieder oder auch Mandatsträger. Wie der Nürnberger Stadtrat Rudolf-Alexander Hübscher oder Wolfgang Dörner, der sich vor etlichen Jahren vor Gericht gegen seine Absetzung als Bezirksvorsitzender zur Wehr gesetzt hatte.

Will die AfD als "Friedenspartei" etablieren: der AfD-Parteivorsitzende Tino Chrupalla.

Will die AfD als "Friedenspartei" etablieren: der AfD-Parteivorsitzende Tino Chrupalla. © Stefan Hippel, NNZ

Als die „Verhetzten“ hingestellt zu werden, die über „nicht genügend Denkvermögen“ verfügen, das wollen sie nicht auf sich sitzen lassen – wo es doch gegenüber der Anti-Putin-Mehrheit darauf ankomme, mehr nachdenkliche, warnende Stimmen zu Wort kommen zu lassen, wie es ihr Bundestagsabgeordneter Rainer Rothfuß sagt. Dass sich nicht mehr als 200 Leute vor der AfD-Bühne eingefunden haben, liege einerseits an der Scheu vieler Bürger vor dem „Drumherum“ mit Absperrungen und Protesten. Und daran, beschwert sich Hübscher, dass Passanten nicht einfach vom Weißen Turm auf den Platz gelangen konnten, sondern um die Kirche herum geleitet wurden. Die Gegendemonstration wirkte wie ein Riegel – und das sei doch, so Hübscher, „aus demokratischer Sicht höchst bedenklich“.

Der Protest gegen die AfD war lautstark und schilderreich. Insgesamt blieb es aber friedlich.

Der Protest gegen die AfD war lautstark und schilderreich. Insgesamt blieb es aber friedlich. © Stefan Hippel, NNZ

Während im Hintergrund „Söder muss weg“-Parolen ertönten, versicherte Landtagskandidat Matthias Vogler, er und seine Mitstreiter wollten doch schließlich „nur das Beste für unser Land“. Und dazu gehöre eben auch, umgehend für ein Ende des Kriegs in der Ukraine zu sorgen – auch durch Einstellung jeglicher Waffenlieferungen. „Ich weiß, wie Waffen töten“, erklärte er als früherer Berufssoldat mit Einsätzen in Bosnien und Afghanistan.

Trillerpfeifen und Sprechgesänge

Eine Frau mittleren Alters, die aus Sachsen angereist war, trieb es aus noch weiteren Gründen auf die Straße. Den Krieg in der Ukraine sieht sie als „Stellvertreterkrieg“ mit Wurzeln auf dem Kiewer Majdan. In dieser Wahrnehmung waren es nicht die Bürger, die erfolgreich um Freiheit und Unabhängigkeit kämpften, sondern letztlich die Amerikaner, die dort ihre Interessen durchsetzten. Sie wohne, sagte sie, direkt an einer Haupttransportroute von Nato-Ausrüstung. „Da wimmelt es nur so von Drohnen – und auch wir sind inzwischen zum Überwachungsstaat geworden.“

"Friedensfahnen schwenken, ist heuchlerisch"

Während auf der AfD-Bühne gesprochen wurde, machte man auf der Gegenseite lautstark Lärm gegen die Partei, mit Trillerpfeifen, Ratschen und Sprechgesängen. Dazwischen gab es diverse Redebeiträge. "Frieden, das ist für die AfD ein rein nationales Projekt", sagte Anja Schmailzl vom Fürther Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Um Deutschland vor der Migration zu ,retten', da sei der AfD jedes Mittel recht. "Jetzt die Friedensfahnen hier zu schwenken, das ist heuchlerisch."