Geschichte der Kunstvilla

Gerettet und wiederbelebt: Wie eines der schönsten Privathäuser dem Abriss entging

10.8.2021, 09:42 Uhr
Das prunkvolle Vestibül der Hopf'schen Villa an der Blumenstraße wartete 1896 mit reichen Vertäfelungen, Glasmalereien, einer Rokokotreppe, einer Truhenbank und einem ausgestopften Bären auf.  

© A. C., Sammlung Kunstvilla Das prunkvolle Vestibül der Hopf'schen Villa an der Blumenstraße wartete 1896 mit reichen Vertäfelungen, Glasmalereien, einer Rokokotreppe, einer Truhenbank und einem ausgestopften Bären auf.  

Niemand wird bestreiten, dass Nürnberg seinem Stadtbaurat Heinz Schmeißner viel zu verdanken hat. Doch auch der "Vater des Wiederaufbaus" schoss hin und wieder einen Bock, etwa als es 1974 darum ging, ob man die gerade unter Denkmalschutz gestellte Villa Hopf in der Blumenstraße 17 abreißen könne. Laut Schmeißner nämlich stand das Baudenkmal "beziehungslos zwischen überwiegend 4 bis 5 geschossigen Gebäuden singulär und ohne Wert für das Stadtbild".

Kriegsschäden in der übrigen Straße

Nicht nur Denkmalpflegern, auch den meisten interessierten Nürnbergfreundinnen und -freunden wird es bei dieser Aussage die Nackenhaare aufstellen. Das war schon in den 70ern so. Fachlich und sachlich falsch war sie auch, haben sich doch mit den Anwesen Blumenstraße 11 und 15 gleich nebenan zwei weitere historische Villen mit mehr oder weniger großen Kriegsschäden erhalten, die ebenfalls Mitgliedern der Familie Hopf gehörten.

Kurz nach ihrer Erbauung würdigte die britische Fachzeitschrift "Academy Architecture and Architectural Review" die Nürnberger Unternehmervilla und ihre Gestaltung 1896 mit einer Fotostrecke.

Kurz nach ihrer Erbauung würdigte die britische Fachzeitschrift "Academy Architecture and Architectural Review" die Nürnberger Unternehmervilla und ihre Gestaltung 1896 mit einer Fotostrecke. © A. C., Sammlung Kunstvilla

Gottlob fand die Einschätzung des Stadtbaurates kein Gehör, und auch der Verlag Nürnberger Presse besann sich eines Besseren. Zwar brach er für das neue Redaktionsgebäude das Haus Willy-Brandt-Platz 3 (erbaut 1861) ab, die Villa aber durfte stehen bleiben, wenngleich nicht ganz standesgemäß als Archiv und Praxis des Betriebsarztes genutzt. 1982 rückte das Presseparkhaus der Villa bis auf wenige Meter auf die Pelle.

Für einen Euro verschenkt

Verlagsinhaber Bruno Schnell wiederum überließ das Haus 2006 der Stadt Nürnberg zum symbolischen Preis von einem Euro, auf dass es fortan der Öffentlichkeit nutze. Und das tut es! Nach ihrer liebevollen Restaurierung und ihrem Umbau zum Museum 2011 bis 2014 nach Planung des Nürnberger Architekturbüros Markus Vogt darf die "Kunstvilla" heute als eines der besterhaltenen Beispiele des noblen Wohnbaus der vorletzten Jahrhundertwende gelten. Ihre bedeutenden Sammlungen zeigen Malerei, Grafik, Skulptur und Installationen fränkischer Künstlerinnen und Künstlern von circa 1900 bis heute.

Seit ihrer Instandsetzung erstrahlt die Villa in der Blumenstraße 17, hier in einer Aufnahme von 2015, wieder im neuen, alten Glanz. Eine moderne Zutat ist der Aufzugskubus links.

Seit ihrer Instandsetzung erstrahlt die Villa in der Blumenstraße 17, hier in einer Aufnahme von 2015, wieder im neuen, alten Glanz. Eine moderne Zutat ist der Aufzugskubus links. © Boris Leuthold

Größtes Exponat des Museums, die Villa selbst, blickt auf eine kurze, aber bewegte Geschichte zurück: 1893 bis 1895 ließ sie das jüdische Hopfenhändlerpaar Lili und Emil Hopf an Stelle der Blindenerziehungsanstalt, die in neue Gebäude umgezogen war, für sich und ihre Söhne Alfred und Kurt errichten. Wahrscheinlich auf Lilis Vorschlag hin beauftragten die Eheleute den hessischen Architekten Heinrich Theodor Schmidt mit der Hausplanung. Der gestaltete die Hopf’sche Residenz in engster Anlehnung an die Villa des Fabrikanten Heinrich Kleyer in Lilis Geburtsstadt Frankfurt am Main in üppigen neubarocken Formen, die mit der lokalen Nürnberger Baukultur wenig zu tun haben.

Die malerische äußere Erscheinung des Gebäudes mit seinen vielen Rücksprüngen und Asymmetrien rührt daher, dass Schmidt die Villa nach funktionalen Erwägungen von innen nach außen plante. Zentrum ist, wie bei den meisten Villen der Zeit, das prunkvolle Vestibül mit der Haupttreppe, um das sich im Hochparterre die Repräsentationsräume, im Obergeschoss die privaten Gemächer gruppieren.

Die Räume erhielten eine opulente Ausstattung im Geiste der Neorenaissance, des Neorokoko und des Jugendstils, von der noch heute das imposante Treppenhaus und das Herrenzimmer mit Wandvertäfelungen, Kassettendecken und Schnitzwerk künden. Das "Zwergenzimmer", das wohl als Spielzimmer für die beiden Söhne gedacht war, ließen die Hopfs mit Märchenmotiven nach Vorlagen des Illustrators Hermann Vogel ausmalen.

Bedeutende Teile der originalen Ausstattung des Vestibüls haben die Zeiten überdauert und bilden heute den Auftakt und den reizvollen Rahmen für die Kunstausstellung.  

Bedeutende Teile der originalen Ausstattung des Vestibüls haben die Zeiten überdauert und bilden heute den Auftakt und den reizvollen Rahmen für die Kunstausstellung.   © Boris Leuthold

Als "Judenhaus" missbraucht

Als Emil Hopf 1920 starb, überließ die Familie den Prunkbau der Gesellschaft für Elektrometallurgie (GfE) als Verwaltung und Gästehaus der Nürnberger Niederlassung. Die Nazis beschlagnahmten es 1936, missbrauchten es als Amtsgebäude und "Judenhaus", in dem sie jüdische Familie Uhlmann zwangsweise einquartierte, um sie ohne Aufsehen deportieren zu können. Nach Flucht und Verhaftung überlebte nur Sohn Gerhard die Schoa.

Mit hintersinnigen Märchenmotiven, teils mit starkem Nürnberg-Kolorit, schufen die Hopfs ihren Kleinen ein "Zwergenzimmer" mit Wandfresken im Dachgeschoss.  

Mit hintersinnigen Märchenmotiven, teils mit starkem Nürnberg-Kolorit, schufen die Hopfs ihren Kleinen ein "Zwergenzimmer" mit Wandfresken im Dachgeschoss.   © Boris Leuthold

Kurt Hopf, psychisch und körperlich erkrankt, nahm sich 1941 das Leben, um der Verfolgung und Ermordung durch die Nazis zuvorzukommen. Sein Bruder Alfred, der Kurt nicht hatte retten können, war in die USA emigriert, wo seine Nachkommen heute leben. Nach dem Krieg verkaufte die GfE, die die Villa im Zuge der Restitution zurückerhalten hatte, an den Verlag Nürnberger Presse.

Nachverdichtung kann falsch sein

Viele Nürnberger Villen hatten weniger Glück: Unzählige fielen bis in die 1980er Jahre der ungehemmten Nachverdichtung zum Opfer. Noch heute versucht manch Bauherr, diesen Verlust mit dem Bedarf an Wohnraum zu rechtfertigen, obschon mittlerweile ein jeder weiß, dass auf sündteurem Baugrund immer sündteure Neubebauung entsteht, die sich nur die leisten können, die auf dem Wohnungsmarkt ohnehin freie Auswahl haben. Die Geschichte der Kunstvilla, die wahrlich ein Geschenk für unsere Stadt ist, beweist, dass Nachverdichten um jeden Preis dem Stadtbild nicht guttut, zumal dann nicht, wenn dafür Wertvolles weichen muss.

1929 diente das frühere Herrenzimmer im Neo-Empire-Stil als Büro der Gesellschaft für Elektrometallurgie.  

1929 diente das frühere Herrenzimmer im Neo-Empire-Stil als Büro der Gesellschaft für Elektrometallurgie.   © unbekannt, Sammlung Kunstvilla

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