An der Scharrerstraße - vor dem Imbiss des vom NSU in Nürnberg ermordeten Ismail Yasar - wurde bereits ein Stolperstein verlegt.
© Inken Thiel
An der Scharrerstraße - vor dem Imbiss des vom NSU in Nürnberg ermordeten Ismail Yasar - wurde bereits ein Stolperstein verlegt.

Koalitionsvertrag

Nachricht aus Berlin: Nürnberg soll ein NSU-Dokumentationszentrum bekommen

Die künftigen Regierungspartner von CDU/CSU und SPD haben im Koalitionsvertrag unter dem Punkt „Demokratische Resilienz“ die Schaffung eines „NSU“-Dokumentationszentrums in Nürnberg vereinbart. Mit großer Überraschung und Freude habe man das zur Kenntnis genommen, so die Stadt in einer Pressemitteilung. Im entsprechenden Kapitel des Koalitionsvertrags heißt es: „Wir bekämpfen die Ausbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts und rechtsextremistischer Strukturen in unserer Gesellschaft systematisch und mit aller Entschlossenheit.“

Oberbürgermeister Marcus König erklärt: „In Nürnberg gibt es seit vielen Jahren sowohl städtischerseits als auch in der Zivilgesellschaft eine vielstimmige und intensive Auseinandersetzung mit dem ,NSU‘-Komplex. Sie reicht von der Schaffung von würdigen Gedenkorten und der Benennung von Plätzen und Parks nach den Todesopfern über viele (Bildungs-)Projekte der kritischen Aufarbeitung bis hin zu künstlerischen und kulturellen Konzepten der Auseinandersetzung dieses unabgeschlossenen Kapitels bundesdeutscher Geschichte.“ Erst vor kurzem habe man den „Mosaik-Jugendpreis“ gegen Rassismus zum elften Mal verliehen. Und am 21. März, am Internationalen Tag gegen Rassismus, ging die Website „Orte des Erinnerns in Nürnberg“ online. „Sie widmet sich dem Gedenken an die vier Opfer der rechtsextremen Gewalttaten in unserer Stadt“, so der OB weiter.

Nürnberg erfülle die Kriterien der Machbarkeitsstudie der Bundeszentrale für politische Bildung in vielerlei Hinsicht. König: „Ich bin überzeugt, dass die Standortwahl auch bei den betroffenen Familien auf Zustimmung stoßen wird.“ Bürgermeisterin Julia Lehner, die den Teil Kultur und Medien im Koalitionsvertrag mitverhandelt hat, betont: „Es ist ein großer Schritt in der Aufarbeitung der Geschichte des NSU. Ich bin sehr froh, dass wir mit dem zukünftigen Dokumentationszentrum auch drängende Themen der Gegenwart in den Blick nehmen können.“

Martina Mittenhuber, Leiterin des Nürnberger Menschenrechtsbüros, ergänzt: „Eine enge Zusammenarbeit mit den Angehörigen und Überlebenden sowie den weiteren betroffenen Städten und der Zivilgesellschaft ist uns ein wichtiges Anliegen und wird maßgeblich sein für einen erfolgreichen Start in dieses für uns so wichtige Projekt.“

Nun gilt es zunächst, die Weichen zu stellen, was Dimension, Aufgaben und Gestaltung des Dokumentationszentrums angeht. Es bleibt abzuwarten, ob der bereits vorliegende Gesetzentwurf zur Errichtung der dazu notwendigen Stiftung weiter Bestand hat oder modifiziert wird. Erst wenn diese Rahmenbedingungen geschaffen sind, kann die Stadt Nürnberg weitere Schritte auch hinsichtlich des Standorts und der Kooperation vor Ort unternehmen.

Die SPD-Stadtratsfraktion begrüßt die Pläne für ein NSU-Dokuzentrum. Nasser Ahmed, Vorsitzender der SPD und Oberbürgermeisterkandidat, erklärt: „Wir halten an unserer Idee fest, das NSU-Dokumentationszentrums am Benjamin-Ferenc-Platz anzusiedeln.“ Die Nachbarschaft zum Memorium Nürnberger Prozesse und dem Saal 600 habe eine hohe Symbolkraft. „In Anbetracht der schwierigen Haushaltslage der Stadt Nürnberg halte ich es für wichtig, dass der Bund sich an der Finanzierung dieser Einrichtung beteiligt“, betont Diana Liberova, integrationspolitische Sprecherin und Kulturpolitikerin der Fraktion.

„Jetzt gilt: Keine Zeit verlieren. Schnell umsetzen. Und dabei unbedingt: Zivilgesellschaft, Wissenschaft – und vor allem die Betroffenenperspektive – ganz klar einbeziehen“, appellieren die grünen Landtagsabgeordneten Verena Osgyan, Cemal Bozoğlu und Toni Schuberl.

Und Andreas Krieglstein, Fraktionsvorsitzender der Nürnberger CSU, sagt: „Diese Entscheidung ist eine Ehre für Nürnberg und legt uns gleichzeitig die Verantwortung auf, einen Ort der Aufarbeitung der Verbrechen aber auch des würdigen Gedenkens an die Mordopfer zu schaffen.“ Die CSU-Stadtratsfraktion dankt Kulturbürgermeisterin Julia Lehner für ihren Einsatz bei den Koalitionsverhandlungen.

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