
"Das ist sehr problematisch"
Nürnberger Wohngebiet: Haben Bauarbeiten wichtige Baumwurzeln beschädigt?
Anwohnerin Henriette Bauer ist empört. Bei ihr in der Braillestraße werde "ein tiefer Graben gebuddelt", und zwar nah an "zwölf prächtigen Buchen". Die Bauarbeiten beschädigen "natürlich das Wurzelwerk", so die Anwohnerin im September in einer E-Mail an unsere Redaktion.
Als wir wenig später vor Ort in der Braillestraße sind, ist der Graben schon verschlossen. Die Kabelnetztechnik der städtischen Feuerwehr sowie die Telekom hatten dort Rohre und Leitungen verlegt. Anhand des frischen Sandes auf den Gehwegplatten lässt sich aber noch gut erahnen, wo gearbeitet wurde: Nahe an besagten Buchen, die hinter einem Zaun auf Privatgrund stehen. Ihre Kronen berühren sich nahezu mit denen von weiteren Bäumen, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite empor wachsen.
Wie ist das in so einem Fall mit dem Baumschutz? Wir zeigen unser Foto Mathias Schmidt, der beim Bund Naturschutz im Arbeitskreis Bäume aktiv ist. Er meint, dass die Grabungen "mit Sicherheit im verbotenen Bereich" durchgeführt wurden. Soll heißen: Dort, wo die städtische Baumschutzverordnung unter anderem "Abgrabungen, Ausschachtungen oder Aufschüttungen" verbietet. Definiert wird dieser Bereich durch die Krone eines jeden Baumes mit einem Stammumfang von mehr als 80 Zentimetern - plus zusätzlicher eineinhalb Meter in alle Richtungen.
Ausnahmen möglich
Ausnahmen sind möglich. Dann aber, sagt Schmidt, sei ein "förmliches Verfahren" notwendig, "in dem begründet wird, warum es unbedingt notwendig ist, dort aufzugraben - und nicht woanders". Er ist überzeugt: "Die können da nicht einfach aufgraben, ohne dass Anträge gestellt und ein Bescheid von der zuständigen Behörde ausgestellt wird."
Wir fragen also nach beim städtischen Umweltamt, der unteren Naturschutzbehörde. Dort erklärt Patrick Drossel, dass man nur wegen der Anwohnerbeschwerde involviert gewesen sei. Die Genehmigung oblag dem Servicebetrieb Öffentlicher Raum (SÖR), da auch ein Baum im öffentlichen Raum betroffen gewesen sei.
Wegen der Anwohnerbeschwerde, so Drossel weiter, habe man "einen Kollegen von SÖR" hingeschickt. Diesem habe der Baustellen-Polier versichert, dass im Aufgrabungsbereich "keine großen Trägerwurzeln" entdeckt wurden. "Maximal Feinwurzeln" seien vorgefunden worden, die aber "nicht berührt oder verletzt" wurden. Freilich: "Vollumfänglich ausschließen" könne man das nicht - es sei aber "unter besonderer Vorsicht" gearbeitet worden.
"Das ist schon sehr problematisch"
Vorsichtig formuliert, beruhigt das Schmidt nicht: "Als Stadt sich vor Ort mit so einer Aussage zufriedenzugeben, das ist schon sehr problematisch. Gerade wenn man die Feinwurzeln zerstört, tut man dem Baum richtigen Schaden an". Die Feinwurzeln seien sogar die wichtigeren, da für die Ernährung und das Wachstum eines Baumes verantwortlich. Trägerwurzeln hingegen würden die Statik gewährleisten.
Aber gab es nun eine Genehmigung, und wenn ja, was war der Ausnahmegrund im Sinne der Baumschutzverordnung? SÖR teilt uns schriftlich mit, dass die Baumschutzverordnung berücksichtigt worden sei. Zudem habe man in der Genehmigung unter anderem darauf hingewiesen, dass im durch die Baumschutzverordnung definierten Bereich (Krone plus eineinhalb Meter) nur per Hand oder mit einem Saugbagger gegraben werden dürfe. Rohre sowie Leitungen müssten gegebenenfalls "durch die freigelegten Wurzeln verlegt werden, ohne dass diese vorher durchtrennt werden."
"Aus SÖR-Sicht gab es keine Bedenken bezüglich der Trasse, wie sie im Instruktionsverfahren eingereicht und umgesetzt wurde, unter Berücksichtigung der oben genannten Hinweise", heißt es weiter. Was den städtischen Baum angeht, seien bei den Aufgrabungen keine Wurzeln entdeckt worden.
Private Bäume durch Zaun geschützt?
Die privaten Bäume dagegen - also die Buchen - wurden "nicht gesondert berücksichtigt", "da sie nicht städtisch sind und nicht in SÖR-Zuständigkeit liegen." Sie seien aber "durch den vorhandenen Zaun vor der Baustelle geschützt" gewesen, zudem habe man die Anwohner über die Bauarbeiten informiert. Unsere Frage nach dem konkreten Ausnahmegrund lässt SÖR unbeantwortet.
"Nicht zufriedenstellend" findet Schmidt diese Antwort, für den der Fall Braillestraße von grundsätzlicher Bedeutung ist: "Da muss die Stadt viel energischer und strenger sein". Seiner Meinung nach sollten Aufgrabungen im durch die Baumschutzverordnung definierten Bereich grundsätzlich tabu sein. "Das ist natürlich eine harte Anforderung", ist er sich bewusst, vor allem wenn wie in der Braillestraße "unheimlich viel Fläche durch Bäume belegt wird".
Aber: "Wir wollen Bäume schützen, wir wollen mehr Bäume in der Stadt". Zudem sorgt sich Schmidt um "zukünftige Nachteile" aufgrund der neu verlegten Leitungen. Könnten sie eventuell notwendige Ersatzpflanzungen unmöglich machen?