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Ab 1930 setzte das „Bayern-Garagen-Hotel“ einen hochmodernen Akzent an der Harsdörfferstraße, üppige beleuchtete Reklame inklusive.
© unbekannt/Sammlung Sebastian Gulden
Ab 1930 setzte das „Bayern-Garagen-Hotel“ einen hochmodernen Akzent an der Harsdörfferstraße, üppige beleuchtete Reklame inklusive.

In Glockenhof

Reinfahren, tanken, wohlfühlen: Futuristisches Motel lockte einst Autofahrer nach Nürnberg

Anmelden, reinfahren, wohlfühlen! Das war das Konzept eines der ersten Nürnberger Motels, das nach einjähriger Bauzeit 1930 in der Harsdörfferstraße 32-36 seine Tore öffnete. Und das galt nicht nur für die menschlichen Gäste, die sich über bequeme Zimmer freuen durften. Auch der fahrbare Untersatz wurde an und in der hauseigenen Tankstelle, einer Bosch-Dienst-Werkstatt, einer Spezialwerkstatt für Fahrzeugelektrik und in der beheizten Garage verwöhnt.

Architekt Hans Beitter hatte dem Neubau, der auf früheren Lagerplätzen entstanden war, dazu die ideale bauliche Form verliehen: Vorne an der Straße fassten zwei turmartige, dreigeschossige Kopfbauten mit seitlichen überhöhten Treppenhausschächten den zweigeschossigen Mitteltrakt ein. Hier lagen die Gästezimmer, Frühstücksraum und Büroräume des Hotels. Die Erdgeschosszone des Mittelbaus belegten die Ladengeschäfte sowie die Ein- und Ausfahrt zum Innenhof. Den wiederum umschlossen an drei Seiten die Fahrzeughallen und Werkstätten, ergänzt um einen freistehenden Garagenbau in der Hofmitte.

Durch die geschickte Höhenstaffelung der kubischen Baumassen mit ihrem strengen Raster von Fenstern und Türen und das meisterhafte Spiel mit verschiedenfarbigen, zu Gunsten des Licht- und Schattenspiels teils in Bändern auskragenden Sichtziegeln erreichte Beitter eine ungemein lebendige Außenwirkung. Sie entsprach vollauf dem futuristischen Charakter des damals noch neuen und luxuriösen Fortbewegungsmittels Automobil.

Auf die bizarre Idee, dieses Etablissement in der Frankenmetropole ausgerechnet nach dem Land der „Besatzer“ auf den Namen „Bayern-Garagen-Hotel“ zu taufen, konnte nur ein Zugereister kommen. Gleichwohl war der Gedanke dahinter sicher unschuldig: Das „Bayern“ im Namen sollte Weltgewandtheit ausdrücken.

Tatsächlich entstammte Eigentümer Julius Wälder einer jüdischen Familie aus Rexingen im Schwarzwald und hatte sich in Nürnberg einen guten Ruf als Textilgroßhändler erworben. Außer beim Nazi-Oberkrakeeler Julius Streicher. Den verklagte Wälder 1931 nach einem verleumderischen Artikel im Hetzblatt „Der Stürmer“ – und bekam Recht. Es war pures Glück, dass Wälder zum Zeitpunkt der „Machtübernahme“ in Straßburg weilte. Nach Anrufen seines Anwalts und seiner Gattin Auguste blieb er im sicheren Ausland, um sich bald darauf mit ihr und den Kindern Heinz, Trudi und Ernst nach New York City abzusetzen. Das vom Reich eingezogene Motel übernahm der Druckereibesitzer Andreas Abraham, und zwar weit unter Marktwert. Die Quittung dafür bekam er 1950, als ihn die Wiedergutmachungskammer und nachher das Oberlandesgericht zur Rückgabe der Immobilie verurteilten.

Wälder behielt sein Motel, das 1943 durch Bomben beschädigt und nachher weitgehend im originalen Zustand wiederaufgebaut worden war, nur noch wenige Jahre. Nach einem Dauerstreit mit städtischen Stellen gelangte es 1958 im Zuge einer Zwangsvollstreckung an das Schuhhaus Pöhlmann.

Heute steht auf den Parzellen fünfgeschossiger Geschosswohnbau mit Läden im Erdgeschoss, den die Schwabacher GEWOBAU nach Abbruch des Motels 1985 nach Planung des Nürnberger Architekten Tilo Sebald errichtet hat. Es waren einmal wieder die berühmten wirtschaftlichen Gründe, die einen Erhalt des Altbaus verhindert hatten. Was nun dort steht, ist gewiss keine schlechte Architektur. Ein adäquater Ersatz für jenes Meisterwerk neusachlicher und expressionistischer Baukunst, das dafür fallen musste, kann es freilich nicht sein.

Mit diesem Beitrag möchten wir Herrn Thomas Knapp vom Stadtarchiv Nürnberg in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden und uns bedanken für seine prompte Hilfe in Sachen historisches Bildmaterial, ohne die viele unserer Artikel nicht hätten entstehen können. Wir wünschen ihm alles Gute, Glück und Gesundheit und allseits gute Fahrt.

Diese Serie lädt zum Mitmachen ein. Haben Sie auch noch alte Fotos von Ansichten aus Nürnberg und der Region? Dann schicken Sie sie uns bitte zu. Wir machen ein aktuelles Foto und erzählen die Geschichte dazu. Per Post: Nürnberger Nachrichten/Nürnberger Zeitung, Lokalredaktion, Marienstraße 9, 90402 Nürnberg; per E-Mail: redaktion-nuernberg@vnp.de. Noch viel mehr Artikel des Projekts „Nürnberg – Stadtbild im Wandel“ mit spannenden Ansichten der Stadt und Hintergründen finden Sie unter www.nuernberg-und-so.de/thema/stadtbild-im-Wandel oder www.facebook.com/nuernberg.stadtbildimwandel

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