Kein Nachfolger gefunden

Schock in Nürnberg: Traditionsbäckerei hört nach 145 Jahren auf - "Keiner backt so gut"

28.9.2021, 07:44 Uhr
Die Bäckerei Gräf schließt nach 145 Jahren ihr Geschäft. Großgründlach ist geschockt.

© Timo Schickler, NNZ Die Bäckerei Gräf schließt nach 145 Jahren ihr Geschäft. Großgründlach ist geschockt.

Die Jalousien an Glastür und Schaufenster sind nach unten gezogen. Die weißen Lamellen verwehren den Blick ins Geschäft. Auf einem Ausleger ist abgebildet, was es drinnen sonst zu kaufen gibt, Brötchen zum Beispiel, Brezen, Kuchen und Bamberger Hörnchen. Nur nicht heute. Es ist Montag und damit Ruhetag in der Bäckerei Gräf in Großgründlach. Die Einheimischen wissen das.

Ein Zettel zum Abschied

An diesem Tag bleiben trotzdem immer wieder Menschen vor dem großen Schaufenster stehen, halten die Hand über die Augen, um einen Blick hinein zu werfen. Und um den Zettel zu lesen, der innen an der Glasscheibe klebt - und die meisten traurig zurücklässt.

Eine Nachricht für die treuen Kunden.

Eine Nachricht für die treuen Kunden. © Timo Schickler, NNZ

"Mit großem Bedauern müssen wir nach 145 Jahren unsere Familienbäckerei aus personellen und altersbedingten Gründen zum 30. September schließen", steht darauf. Die Entscheidung sei ihnen nicht leicht gefallen, teilen Familie und Team mit und bedanken sich für die langjährige Treue der Kunden.

"Großgründlach stirbt aus"

Die trifft das hart. "Schade. Echt ein super Bäcker", schreibt einer stellvertretend für viele in der Großgründlacher Facebook-Gruppe. "Bin zutiefst traurig." Keiner backe so gute Torten, Nusskuchen und Teeblätter wie "der Gräf", meldet sich eine andere entsetzte Kundin zu Wort. Das könne keine Großbäckerei ersetzen. Danach teilt jeder sein Lieblingsgebäck mit. Die Liste ist lang, der Blick in die Zukunft getrübt. "Großgründlach stirbt aus", sagt einer.

Die Sorge hat auch Thomas Röhrich. "Es ist sehr, sehr schade, dass die Tradition immer weniger wird", sagt der Erste Vorsitzender des Vorstadtvereins Alt-Gründlach. Früher hat es im Ort drei Bäcker und vier Metzger gegeben", heute ist bis auf den Bauernladen im Ortskern nichts mehr übrig. Auch für Röhrich gehe nicht zuletzt wegen der Kärwaküchle ein Stück Kindheit verloren.


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Gründe für das Aus des Bäckers gebe es mehrere. "Wer lernt heute noch ein Handwerk?", fragt der Vorsitzende und meint damit die schwierige Suche nach einem Nachfolger. Aber auch die Discounter, die inzwischen Gebäck anbieten, und die schwierige Parkplatzsituation an der Großgründlacher Hauptstraße spielen eine Rolle.

Den Ort trifft die Nachricht schwer. Mit dem Aus der Familienbäckerei gehe wieder ein Stück dessen verloren, was den Charme des Dorfes im Nürnberger Norden ausmacht, findet Röhrich. Er hofft, dass vielleicht eine andere Bäckerei hier aufmachen kann, "aber ich kann keine herzaubern". Hinter dem Ortsrand, im Gewerbegebiet Schmalau, gibt es zwar einen Bäcker, "aber für die Älteren wird es immer schwieriger" dorthin zu kommen.

Zumal "die kleinen Nahversorger immer auch ein sozialer Treffpunkt sind, an dem man sich zufällig getroffen und für einen kurzen Plausch Zeit genommen hat", findet Thorsten Brehm. Dass so etwas wegbricht, sei schade, sagt der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Nürnberger Stadtrat. Denn je mehr solcher Geschäfte schließen, "umso mehr lohnt sich der Einstieg ins Auto, um die Sachen für den täglichen Bedarf gleich alle woanders zu kaufen". Das sie eine Spirale nach unten.

Suche nach Treffpunkt

Zumindest das Problem des Treffpunkts geht Thorsten Brehm an. Die SPD hat einen Antrag gestellt, um Platz für einen Stadtteiltreff zu schaffen. "In Großgründlach mangelt es an Räumen, in denen sich Vereine, Parteien und Initiativen treffen können", sagt der Sozialdemokrat. Eine Chance sieht er an der Volkacher Straße, wo der Immobilienentwickler Schultheiß einen Wohnkomplex plant. Dort könne das "Defizit an sozialer Infrastruktur" behoben werden.

Daniel Frank hat eine andere Idee. Auch der CSU-Stadtrat weiß, dass sich die Großgründlacher "seit vielen Jahren nach einer zentralen Begegnungsstätte" sehnen. Er kann sich vorstellen, einen solchen Treffpunkt mit dem neuen Sportfunktionsgebäude zu verknüpfen, das die Sportfreunde Großgründlach planen.

Ist in der früheren Pension Lindengarten Platz für einen Stadtteiltreff in Großgründlach?

Ist in der früheren Pension Lindengarten Platz für einen Stadtteiltreff in Großgründlach? © Timo Schickler, NN

"Hier könnte durch die Errichtung zusätzlicher Räumlichkeiten ein zentraler Versammlungsort entstehen, der unter anderem als Jugend- und Seniorentreff sowie als Treffpunkt sämtlicher Vereine dienen könnte", sagt Frank. Auch die CSU hat einen entsprechenden Antrag an die Stadtverwaltung gestellt.

Nun liegt der Sportverein, wie auch Thomas Röhrich anmerkt, "eher außerhalb". Die Idee eines Treffpunkts aber "unterstützen wir vollkommen". Ein Platz für Vereine, eine sozialer Begegnungsort würden schon lange fehlen, "da haben wir gar nichts mehr". Auch die Organisation der Feierlichkeiten zu "1000 Jahre Großgründlach" habe in Vorgärten stattgefunden.

Stadt sucht eine Lösung

Noch hat die Stadt keine Lösung gefunden, sagt der zuständige Stadtrechtsdirektor Olaf Kuch. Die bisherigen Vorschläge, darunter auch die frühere Pension Lindengarten in der Ortsmitte, seien "leider nicht zu realisieren, da die Gebäude beziehungsweise Örtlichkeiten, die man sich vorstellen konnte, nicht in städtischem Eigentum sind oder es bauplanungsrechtliche Hindernisse gibt". Derzeit werde aber referatsübergreifend nach Möglichkeiten gesucht.

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