Fall 3 von "Freude für alle"

"Sehr angespannte Lage": Warum es so wichtig ist, dass Erik aus Nürnberg trotz Spastik mobil bleibt

Wolfgang Heilig-Achneck

Lokalredaktion

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14.11.2023, 11:00 Uhr
Der 22-jährige Nürnberger Erik D., schwerstbehindert, kann seinen Kommunikations-Computer mit den Augen bedienen und steuern.

© Wolfgang Heilig-Achneck, NNZ Der 22-jährige Nürnberger Erik D., schwerstbehindert, kann seinen Kommunikations-Computer mit den Augen bedienen und steuern.

Es ist schon großartig, was Computer heute leisten. Gerade auch im Dienst von Menschen mit schweren Handicaps. Wie zum Beispiel bei Erik D.: An seinem Rollstuhl verfügt er über einen Computer, den er mit einem konzentrierten Blick auf bestimmte Felder bedienen kann, also mit einer Augensteuerung. Und auch wenn er sich nicht selbst verständlich artikulieren kann, ist so doch eine Kommunikation möglich: Der 22-Jährige kann sich über eine künstliche Stimme vorstellen, kann ausdrücken, was ihm gefällt und was er sich wünscht.

Und er kann strahlen und lachen - schon das eine bewegende Art erster Verständigung. Aber der Computer hat natürlich seine Grenzen: Er kann den jungen Nürnberger nicht versorgen und pflegen, kann ihm keine Nahrung einflößen, ihn nicht waschen und nicht ins Bett bringen: Erik ist tatsächlich rundum auf Hilfe angewiesen. Wenn er fit ist, besucht er die Förderstätte des Vereins für Menschen in Boxdorf. Ein Fahrdienst holt ihn an jedem Werktag zuhause ab, bringt ihn dorthin und auch wieder nach Hause. Und er fühlt sich dort sehr wohl - wie er über seinen Sprachcomputer versichert.

Zu schwer zum Heben

Allerdings erleben es die Eltern - wie andere von Kindern in regulären Schulen - immer wieder, dass die Einrichtung anruft und bittet, Erik möglichst umgehend abzuholen. Hier aber sind sie vor schier unlösbare Probleme gestellt. Denn inzwischen ist auch Erik gewachsen, größer und schwerer geworden. Zu schwer, um ihn ständig vom Rollstuhl in ein Auto zu heben und umgekehrt. Dazu kommt, dass der 22-Jährige durchaus über Kraft verfügt, seine Bewegungen aber kaum kontrollieren kann. "Wenn dann noch plötzlich eine Spastik auftritt, kann es richtig gefährlich werden", erläutert der Vater.

Dass er als - auch gesetzlicher - Betreuer mehr oder weniger ständig verfügbar sein muss, hat ihn zuletzt auch seinen Job gekostet. Zwar hatte sein Chef durchaus Verständnis für seine besondere Situation, aber weil der Vater in seiner Tätigkeit auch feste Verpflichtungen gegenüber Kunden nicht einhalten konnte, musste er doch gehen. Zumal es unmöglich war, jeweils rasch Ersatz zu organisieren. Damit wurde die Mutter zur Alleinverdienerin in der Familie - und auch sie kann nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen.

Daneben gibt es noch das Pflegegeld für Erik - doch ohne ergänzende Leistungen von Jobcenter käme die Familie nicht über die Runden. Von einer "sehr angespannten Lage" berichtet denn auch die betreuende Sozialpädagogin vom Allgemeinen Sozialdienst (ASD) der Stadt beim Jugendamt. Sie hat sich der Familie quasi ehrenamtlich angenommen, weil sie offiziell gar nicht mehr zuständig ist, seit Erik volljährig ist.

Die schwere Behinderung des inzwischen erwachsenen Sohnes ist Folge einer Stoffwechselerkrankung, ausgelöst durch einen vererbten Gendefekt. Die Diagnose wurde gestellt, als Erik noch ein Kleinkind war - und sich abzeichnete, das er sich nur mühsam bewegen kann und auch in der geistigen Entwicklung zurückbleibt. Lesch-Nyhan-Syndrom lautet die offizielle Bezeichnung, es soll sehr selten auftreten. Nach Angaben der ASD-Mitarbeiterin sollen nur 150 Fälle dokumentiert sein.

Fahrzeug mit Rampe gesucht

Eriks Familie hat das Glück, in einer barrierefrei zugänglichen Wohnung zu leben. Zwar müssen alle stark zusammenrücken, da Erik auch noch jüngere Geschwister hat, aber für das Nötigste ist gesorgt. Anders wenn es darum geht, mobil zu sein: Weil der 22-Jährige nicht mehr mit dem vorhandenen Wagen transportiert werden kann, benötigt die Familie so bald wie möglich ein Fahrzeug mit einer Rampe und Platz für Erik samt Rollstuhl. Nötig ist es allein schon für regelmäßig anfallende Arzt- und Klinikbesuche, sinnvoll aber auch für familiäre Aktivitäten.

Doch solche Transporter sind knapp auf dem Markt - und die Anschaffung ohne Beistand von Stiftungen und Spenden unerreichbar. Auch die Aktion "Freude für alle" will helfen - wie sie in ähnlicher Weise Jahr für Jahr jeweils mehrere Familien und Menschen mit schweren Behinderungen unterstützt.

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