
Klavierabend in Rednitzhembach
Starke Tastenlöwin in der Oberfichtenmühle
Vor knapp einem Jahr gastierte die charismatische Künstlerin schon einmal im Konzertsaal der Mühle und kredenzte vor nur 30 Zuhörern – den Vorgaben der Pandemiebekämpfung geschuldet – ein ansprechendes Programm mit Werken von Chopin und Beethoven.
Dieses Mal spannte Viktoria Hirschhuber in zwei Auftritten mit gleicher Programmfolge den Bogen deutlich weiter und begann ihr Recital mit Johann Sebastian Bachs fünfter Französischer Suite in G Dur (BWV 816).
Auf dem modernen Konzertflügel
Dass die Barockzeit inzwischen von den Adepten der Originalklang-Fraktion "besetzt" ist, hält Pianistinnen und Pianisten der Neuzeit zum Glück nicht davon ab, Bachs Kompositionen für Tasteninstrumente auf dem modernen Konzertflügel zu interpretieren. "Wenn Bach schon solche Instrumente zur Verfügung gehabt hätte, dann hätte er auch Musik dafür geschrieben", ist Hirschhuber überzeugt. Und so klingt es bei ihr auch: Keine Spur von stakkierter Non-Legato-Anämie, stattdessen weite Spannungsbögen, auszelebrierter Schönklang und Schwelgen in Dur-Idylle.
Federleicht schwebend

Viktoria Hirschhuber bringt Bachs idealisiert-abstrahierte Tanzsätze auf den Tanzboden zurück, zeigt, wie federleicht schwebend diamantene Anschlagspräzision und punktgenaue Phrasen-Modellierung klingen können und entwirft ein Bach-Bild für das 21. Jahrhundert, das die barocke Klangrede intelligent ins Hier und Jetzt transferiert.
Badura-Skoda als Vorbild
In Sachen Wolfgang Amadé Mozart ist der verstorbene Klavierdoyen Paul Badura-Skoda Viktoria Hirschhubers Vorbild: Anderen Menschen etwas Gutes tun mit Musik, die Sorgenfalten auf der Stirn glättet und trübe Gedanken vertreibt. Mozarts D-Dur-Klaviersonate (KV 311) taugt dafür ausgezeichnet, ist in den Ecksätzen heitere Daseinsberachtung, im "Andante con espressione" nachdenklich stimmender Seelenspiegel.
Vielfarbiges Kaleidoskop
Ein vielfarbiges Kaleidoskop, das bei Viktoria Hirschhuber bis in den kleinsten Triller, das verästeltste Laufwerk durchdacht und hinterfragt wirkt. Hinter der Fassade zerbrechlichen Filigrans verbirgt sich bei der Österreicherin eine kraftvolle Tastenlöwin, die Pranke zu zeigen versteht, wo es sinnvoll erscheint, etwa in Franz Schuberts späten Klavierstücken (D 946).
Kraftvolle Miniatur-Explosionen
Hier spricht der Geschichtenerzähler, der versierte Liedkomponist aus jeder Note – und Viktoria Hirschhuber macht aus kraftvollen Ostinato-Schlägen kontrollierte Miniatur-Explosionen als Ausdruck emotionalen Aufruhrs, verständlich auch ohne gesungenen Text.
Jahre der Wanderschaft

Am Ende begibt sie sich mit Franz Liszt auf bewegte Jahre der Wanderschaft, beschäftigt sich mit programmmusikalischen Schnappschüssen aus Italien, die Liszt unter dem Titel "Venezia e Napoli" verfasste. Von Postkarten-Buntheit ist bei "Gondoliera", "Canzone" und "Tarantella" nichts zu spüren; Liszt suchte Wahrheiten hinter den prunkvollen Fassaden und dem freundlichen Lächeln. Was er fand, verdichtet Viktoria Hirschhuber zu Reisebildern, die mitreißen und bisweilen das Tor in eine Welt voller Düsternis öffnen. Ganz großes Kino von einer Meisterregisseurin am Klavier.
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