Buchtipp

Tipps zum Entrümpeln: Der Weg zu Freiheit und Glück

13.1.2020, 07:59 Uhr
Autorin Anne Weiss hatte quasi alles, und das reichlich, bevor sie anfing, zu entrümpeln — und an Freiheit und Glück gewann. Jetzt passt ihr "Leben in drei Kisten".

© Sebastian Gollnow/dpa Autorin Anne Weiss hatte quasi alles, und das reichlich, bevor sie anfing, zu entrümpeln — und an Freiheit und Glück gewann. Jetzt passt ihr "Leben in drei Kisten".

Eine schicke Wohnung, teure Klamotten und den neuesten elektronischen Schnickschnack: Die Autorin Anne Weiss hat all das gehabt, bevor sie anfing, zu entrümpeln — und an Freiheit und Glück gewann. Jetzt passt ihr "Leben in drei Kisten". Das gleichnamige Buch stellt die 45-Jährige am 16. Januar um 18.30 Uhr im Thalia-Buchhaus Campe vor.

NN: Frau Weiss, die drei Kisten sind vermutlich nicht wortwörtlich zu nehmen — oder doch?

Weiss: Eigentlich schon. In den drei Kisten sind Erinnerungsstücke, von denen ich mich nicht trennen mag. Briefe, die mir meine Schwester vor Jahrzehnten geschrieben hat, Tagebücher, das Mixtape meines ersten Freundes. Es sind die Dinge, von denen meine Oma, die mit nur einem Koffer in der Hand aus Oberschlesien fliehen musste, gesagt hat, dass sie ihr fehlen würden. Dinge eben, an denen mein Herz hängt.

Das heißt, wer entrümpelt, muss nicht alles loslassen, was keinen konkreten Zweck erfüllt?

Weiss: Vorgaben wie "ich darf nur 100 Dinge besitzen" oder "ein Kleiderschrank darf nur 33 Teile beinhalten" finde ich anstrengend. Entrümpeln sollte einem gut tun und nicht zwanghaft sein. Deshalb habe ich diese drei Kisten behalten. Aber davon mal abgesehen, komme ich jetzt mit wenig sehr gut zurecht.

Wieso haben Sie denn überhaupt angefangen, sich von Ihren Besitztümern zu trennen?

Weiss: Mein Weg begann damit, dass ich vor rund fünf Jahren meinen Job verloren habe. Zuvor war ich ein richtiger Workaholic und habe mich oft mit Shopping belohnt. Die Kündigung war eine Katastrophe für mich, bis dahin hatte ich mich ganz und gar über die Arbeit definiert.

Die gebürtige Bremerin Anne Weiss hat in ihrer Heimatstadt Kultur- und Sprachwissenschaften studiert. Sie war als Lektorin bei verschiedenen Verlagen tätig und hat unter anderem eine verlagsinterne Schreibschule mit aufgebaut. Jetzt lebt sie als freie Autorin und Journalistin in Berlin.

Die gebürtige Bremerin Anne Weiss hat in ihrer Heimatstadt Kultur- und Sprachwissenschaften studiert. Sie war als Lektorin bei verschiedenen Verlagen tätig und hat unter anderem eine verlagsinterne Schreibschule mit aufgebaut. Jetzt lebt sie als freie Autorin und Journalistin in Berlin. © Foto: Nancy Ebert

Um Abstand zu gewinnen, bin ich erst mal mit einer Freundin für sechs Wochen nach Indien gereist — und habe dort festgestellt, wie wenig man eigentlich wirklich braucht. Alles Nötige steckte ja in meinem Rucksack. Nach der Rückkehr war ich richtig erstaunt über den ganzen Krempel, der sich bei mir angesammelt hatte. Mir war das auf einmal viel zu viel, ich wollte los werden, was ich nicht brauche.

Das klingt so, als wenn Sie nicht nur physischen Ballast abgeworfen hätten.

Weiss: Stimmt, es geht um viel mehr. Ich wollte den Gegenständen nicht mehr so viel Raum geben; ich wollte mehr erleben und weniger haben. Ich habe gemerkt, dass es mich nicht glücklich macht, Sachen anzuhäufen und dass ich oft nur schöne Dinge gekauft hatte, um den Stress auszugleichen, den ich hatte.

Heute brauche ich weniger, das bedeutet auch, ich muss weniger verdienen, um meinen Lebensstil zu finanzieren. So habe ich mehr Zeit für alles, was mir wichtig ist und für die Menschen, die mir etwas bedeuten.

Aufzuräumen und auszumisten liegt im Trend, manche Experten machen eine regelrechte Wissenschaft daraus. Aber löst das wirklich Probleme, wenn ich mich von meinen Besitztümern trenne?

Weiss: Ich glaube, das muss jede und jeder für sich selbst herausfinden. Ich habe festgestellt, dass es mir mit weniger Dingen gut geht, dass ich mich leichter und freier fühle — ich habe weniger Angst vor Verlust. Einfach alles auszusortieren und in schwarze Müllsäcke zu stopfen, bringt aber nichts.


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Die Lücken, die auf diese Weise entstehen, füllen sich meist schnell wieder. Mir geht es darum, dem ständigen Konsum den Hahn abzudrehen und für die Dinge, die ich selbst nicht brauche, einen anderen, einen besseren Platz zu finden.

Die Mülltonne ist aus Ihrer Sicht keine Lösung?

Weiss: Ich kann kaum etwas einfach so wegwerfen. Ich suche einen Platz für die Dinge, jemanden, der sie nötiger braucht. Erst wenn ich niemanden finde, kümmere ich mich um die korrekte Entsorgung. CDs zum Beispiel gehören nicht in die Mülltonne, sondern zum Wertstoffhof. Ich möchte nachhaltig leben, mir ist Klimaschutz sehr wichtig. Ich würde heute auch nicht mehr ins Flugzeug steigen, auch wenn alles mit der Reise nach Indien begann.

Ihre persönliche Entrümpelungsaktion liegt schon einige Jahre zurück. Sind Sie seither gar nicht rückfällig geworden?

Weiss: Einmal wäre es mir beinahe passiert. Ich hatte einen schlechten Tag und war tatsächlich versucht, meine Unzufriedenheit mit Shopping auszugleichen. In einem Möbelhaus habe ich meinen Einkaufswagen mit dekorativem Hausrat gefüllt. An der Kasse habe ich zum Glück inne gehalten und mich gefragt, wie ich all das nur wieder los werden soll, wenn ich es satt bin. Ich habe die Dinge wieder ins Regal zurück gestellt.

Sie kaufen also außer Lebensmitteln fast nichts mehr ein?

Weiss: Wenn ich etwas anderes wirklich brauche, gucke ich immer zuerst, ob ich es gebraucht bekommen kann. Als mein Coffee-to-Go-Becher kaputt war, habe ich im Freundeskreis nachgefragt, ob jemand einen los werden will — die meisten Leute haben ja mehr als ein Exemplar im Schrank. Die Freundin, die mir einen Becher überließ, habe ich zum Dank bekocht. So hatten wir beide was davon. Wenn ich mir Dinge teile oder leihe, fördert das soziale Kontakte und spart gleichzeitig Geld und Emissionen.

Anne Weiss stellt ihr Buch am kommenden Donnerstag, 16. Januar, im Thalia-Buchhaus Campe vor. Beginn ist um 18.30 Uhr, der Eintritt kostet zehn Euro.

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