
Kommentar
100 Tage Trump: Ein Mann macht Amerika klein - und bietet Europas Demokratien Chancen
Wie gehen Sie mit Trump um? Verfolgen Sie alles, was er so tut? Oder schalten Sie ab, auf Durchzug, weil man schon mal den Überblick verlieren kann?
Dann hat Trump schon ein wichtiges Ziel erreicht: Verwirrung stiften. „Flood the zone with shit“ heißt das Rezept dafür, dass Trump von seinem früheren Berater Steve Bannon übernommen hat, entschärft übersetzt: Flute den Raum mit Müll.
Die Unterschiede zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen wichtig und unwichtig verschwimmen
So vermischt sich Wichtiges mit Unwichtigem, verwischen auch die Grenzen zwischen Wahrheit und Lüge, die Trump ganz bewusst verschiebt. Unfassbare Eingriffe in Grundrechte gehen unter zwischen all den Dekreten, die der Präsident im Stakkato-Takt unterschreibt. Und: „Man fängt keinen Krieg gegen jemand an, der 20mal so groß ist“ - das sagte Trump an die Adresse der Ukraine, mit solchen Lügen macht er immer wieder aus dem Opfer den Täter. Erschreckend viele glauben das gern.
Trump greift alles an, was die altehrwürdige Demokratie der Vereinigten Staaten - die 2026 ihren 250. Geburtstag feiern - ausmacht: Eine Justiz, die für die Einhaltung der „checks and balances“ sorgt. Kritische Medien, die Machthaber kontrollieren. Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung - eine Quelle von Wohlstand. Das Bildungssystem. Minderheiten im Land, denen teils ihre Rechte abgesprochen werden. Migranten, die (raus)gejagt werden sollen...
Trump baut die USA um: zur Autokratie - er will möglichst viel allein und ohne Kontrolle entscheiden. Zur Oligarchie: Er fördert eine kleine Clique der Superreichen, auch durch ein Verhalten, das Insidergeschäfte sehr nahelegt. Zur Kleptokratie: Herrschaft als Selbstbedienung, zur eigenen Bereicherung. Da ist sein eigenes Merchandising mit Kappen, die - verfassungswidrig - „Trump 2028“ ankündigen (und, Ironie der Geschichte, „made in China“ sind) noch das geringste. Gravierender: Trump bereichert sich auch durch Tickets für seine Golfturniere oder mit seiner Krypto-Währung schamlos.
Er macht die USA nicht „great“, sondern klein. Seine irrwitzige Zollpolitik schwächt vor allem Amerika. Die Preise und die Inflation steigen, der Unmut vieler wächst, seine Umfragewerte sind die schlechtesten seit Jahrzehnten. Die USA sind dabei, ihren Ruf als Land der Freiheit zu verlieren, als Reiseziel schmieren sie ab. Der Staatsapparat wird zerschlagen - nur Schwache brauchen einen starken Staat.
Amerika braucht die massive Gegenwehr der Demokraten
Wir Deutschen wissen: Es kann sehr schnell gehen, ein Land von einer Demokratie in eine Diktatur umzubauen. Noch ist es nicht so weit, aber Amerika braucht die massive Gegenwehr der Demokraten - und die brauchen, leider, inzwischen zusehends Mut.
Zugleich bietet Trumps desaströse Politik, die jedes Vertrauen, jede Berechenbarkeit zerstört, den europäischen Demokratien Chancen. Sie müssen der Hort von Rechtsstaatlichkeit und möglichst freien Märkten bleiben oder werden - dann könnten sie profitieren von der Selbstzerstörung der Noch-Weltmacht Nr.1.
1 Kommentar
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen