Erneute Debatte um Paragraf 218

Abtreibung: Frauen bleiben in Deutschland die Leidtragenden

Michael Husarek

Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

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21.4.2024, 15:00 Uhr
Ein Schwangerschaftstest liegt auf einem Tisch. Was passiert, wenn die betroffene Frau ihr heranwachsendes Kind abtreiben will?

© Marijan Murat/dpa Ein Schwangerschaftstest liegt auf einem Tisch. Was passiert, wenn die betroffene Frau ihr heranwachsendes Kind abtreiben will?

Rechtswidrig, aber straffrei: Fühlt sich das gut an? Kaum. Doch genau dieses Paradoxon wird Frauen nunmehr seit drei Jahrzehnten zugemutet. Wer ungewollt schwanger geworden ist, kann in den ersten zwölf Wochen zwar legal einen Abbruch auf den Weg bringen, über all dem schwingt allerdings die Moralkeule des Gesetzgebers.

Eigentlich, so lautet die Botschaft des Paragrafen 218, bewegen sich die Schwangeren auf rechtlich dünnem Eis. Schließlich reden wir vom Strafgesetzbuch, in dem eben dieser Passus steht. Die Ampel-Koalition hat eine Expertenkommission beauftragt, deren Vorschlag mit diesem belastenden Zustand Schluss machen will. Die Fachleute empfehlen eine Legalisierung von Abbrüchen in der Frühphase der Schwangerschaft.

Und schon erheben die Ideologen in Politik und Kirche ihre moralinsaure Stimme. Auch die bayerische Staatsregierung positionierte sich gegen den Vorstoß der Expertenkommission.

Es ist eine schlagkräftige Allianz, die sich da um den Schutz des ungeborenen Lebens gebildet hat. Für sie ist klar: Das heranwachsende Kind im Bauch der Mutter hat mehr Rechte als die Frau, die - aus gutem Grund und gewiss nicht leichtfertig - eben dieses Kind nicht bis zur Geburt austragen will.

Wozu dieser Zustand führt, ist in Bayern besonders gut zu beobachten: Es gibt zu wenig Ärztinnen und Ärzte, die den Eingriff vornehmen; noch dazu müssen Betroffene, die sich ohnehin in einer emotionalen Ausnahmesituation befinden, nicht selten einen Spießrutenlauf durchstehen.

Denn wenn es - auch das ist verpflichtend - vor dem Abbruch zu einer der Beratungsstellen geht, warten dort nicht selten Abtreibungsgegner auf die Frauen.

Schäbiger Umgang mit Schwangeren

Um nicht falsch verstanden zu werden: Selbstverständlich dürfen katholische Priester und konservative Unionspolitiker ihre Argumente in die Waagschale werfen, doch es verbietet sich ein schäbiger Umgang mit Schwangeren, die genau dieses Zustand nicht angestrebt haben.

Sind diese Frauen deshalb schlechtere Menschen? Gewiss nicht. Es ist an der Zeit, eine angemessene medizinische Versorgung, gerade in den Krankenhäusern, zu ermöglichen. Die gesellschaftliche Debatte kann dann gerne weitergeführt werden - etwa um die Frage, ob die Zwangsberatung weiterhin notwendig sein soll.

Deutschland befindet sich damit auf einem Sonderweg in Europa. Wert nun einwirft, in den USA gebe es ein viel schärferes Abtreibungsrecht, dem sei empfohlen, sich mit den dortigen Zuständen näher zu beschäftigen. In den Bundesstaaten, die am härtesten vorgehen, herrscht schlicht ein Kulturkampf.

Erstrebenswert ist dies nicht: Ungewollt schwangere Frauen sind keine Verfügungsmasse für Ultrakonservative. Sie müssen endlich frei entscheiden dürfen, ob sie ihr Kind auf die Welt bringen wollen.

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