Ungebrochene Macht

Alles Idioten? Warum so viele Amerikaner Trump wählen

Manuel Kugler

Leitung Newsdesk

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8.2.2024, 13:09 Uhr
"Save America" ist einer der Slogans von Trumps Kampagne: Gezielt schürt er die Furcht der Menschen davor, dass ihnen nach der ökonomischen Sicherheit nun auch noch die kulturelle Identität - von Meinungsfreiheit bis zum Recht auf Waffenbesitz - genommen wird.  

© Godofredo A. Vásquez, dpa "Save America" ist einer der Slogans von Trumps Kampagne: Gezielt schürt er die Furcht der Menschen davor, dass ihnen nach der ökonomischen Sicherheit nun auch noch die kulturelle Identität - von Meinungsfreiheit bis zum Recht auf Waffenbesitz - genommen wird.  

Im Sommer 2023 schafft es eine erstaunliche Aufnahme nach ganz oben in die US-Charts. Sie zeigt einen Mann mit rotem Bart und Gitarre in einem Waldstück, der gegen die "Rich Men North of Richmond" ansingt, die reichen Männer nördlich der ehemaligen Südstaaten-Hauptstadt Richmond - gemeint sind die Politiker in Washington. Oliver Anthony, so heißt der Mann, traf mit seinen wütenden Zeilen über Perspektivlosigkeit und Politikereliten einen Nerv. Oder besser gesagt: Er traf einen Nerv bei einem Teil der amerikanischen Bevölkerung.

Dieser Teil ist allerdings nicht nur groß genug, einen bis dato unbekannten Musiker auf Platz eins zu hieven, sondern - so ist zu befürchten - auch groß genug, einen sehr wohl bekannten Mann zurück ins Weiße Haus zu bringen: Donald Trump.

Die Löhne steigen, richtig - aber die Lebenserwartung sinkt

Der Fakt, dass Trump tatsächlich Chancen hat im November 2024, erntet in Deutschland Reaktionen irgendwo zwischen Entsetzen und Belustigung: die Amerikaner, alles Idioten. Belegt wird das dann zum Beispiel mit den ökonomischen Daten - die Wirtschaft wächst, die Löhne steigen. Alles Idioten also? So einfach ist es nicht.

Ja, es gibt dieses strahlende, glitzernde Amerika, viele Deutsche kennen es von ihren Reisen in die Küstenmetropolen wie New York. Es gibt aber auch ein anderes Amerika, das weit weniger Touristen zu Gesicht bekommen. Das Amerika derer, die auf der Strecke geblieben sind. Epidemien der Obdachlosigkeit und Medikamentenabhängigkeit haben die USA erfasst, die Lebenserwartung sinkt, und wer ein Haus und einen Job hat, lebt fernab der Metropolen oft wie in einem Entwicklungsland. Zeichen einer Nation im Niedergang.

Das eigentlich Erstaunliche an Trumps ungebrochener Macht ist deshalb nicht, dass so viel Wut ist in vielen Teilen des Landes. Sondern dass es Trump und den Republikanern - also ausgerechnet jenen, von denen die Menschen angesichts ihrer wirtschaftlichen Agenda wenig erwarten dürfen - gelungen ist, die Wut für ihre Zwecke zu nutzen.

Trump schürt die Angst vor einem Verlust der kulturellen Identität

Gelungen ist Trump dies mit einem Trick: Er schürt die Furcht der Menschen davor, dass ihnen nach der ökonomischen Sicherheit nun auch noch die kulturelle Identität - von Meinungsfreiheit bis zum Recht auf Waffenbesitz - genommen wird. "Save America" ist nicht zufällig einer von Trumps Slogans.

Amerikas Linke ist darin gescheitert, die Abgehängten für sich zu gewinnen. Wut wählt rechts: Dieses Phänomen lässt sich auch in Deutschland beobachten - womit sich tatsächlich jeder Fingerzeig auf die vermeintlich dummen Amerikaner verbietet. Hier wie dort macht es die Linke der Rechten zu einfach, sie als abgehobene Elite zu brandmarken, die sich mehr fürs Gendern als für die Gehälter von Arbeitern interessiert. Hier wie dort fehlt eine Botschaft der Zuversicht - die sich der Angstmacherei von rechts entgegensetzen ließe.

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