Nicht nur bei Prinzessin Kate fehlt der Respekt

Auch Promis haben ein Recht auf Privatleben: Aber Medien und Bürger werden immer rücksichtsloser

Harald Baumer

Berlin-Korrespondent der NN

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25.3.2024, 19:00 Uhr
Hofft nach Bekanntmachung ihrer Krebsdiagnose auf Privatsphäre: Prinzessin Kate.

© Uncredited/AP/dpa Hofft nach Bekanntmachung ihrer Krebsdiagnose auf Privatsphäre: Prinzessin Kate.

Ach, die Engländer wieder mal! Das könnte man angesichts der rücksichtslosen und teils hochgradig spekulativen Medienberichterstattung über die Krebserkrankung von Prinzessin Kate ausrufen. Tatsächlich haben es die Briten zu einer unerfreulichen Meisterschaft gebracht, höchst private oder gar intime Details aus dem Leben von Prominenten breitzutreten.

Aber auch in Deutschland verwildern die Sitten im Umgang mit Personen der Zeitgeschichte. Der Vorwurf trifft den Boulevardjournalismus und die Regenbogenpresse - zunehmend übergriffige „Normalbürger“, die keine Grenzen kennen.Es wird immer weniger respektiert, dass es selbst für Superstars aus der politischen, popkulturellen und sportlichen Welt gewisse Schutzzonen geben sollte und dass dies auch unsere Gesetze so vorsehen.

Mediale Entgleisungen

Ein Indiz für mediale Entgleisungen ist es, dass der Presserat als freiwilliges Organ der journalistischen Selbstkontrolle 2023 so viele Rügen aussprechen musste wie nie zuvor. Ein Indiz für eine Verwilderung der Sitten bei den Nicht-Journalisten ist das zunehmende Bedrängen von Politikerinnen und Politikern außerhalb ihres dienstlichen Umfelds.

Da wird der Wirtschaftsminister mit Familie bei der Rückkehr vom Urlaub von Landwirten so bedroht, dass seine Fähre auf Anraten der Polizei wieder ablegen muss. Da kann der Gesundheitsminister keinen Schritt mehr ohne Personenschutz machen. Und da beklagt der Deutsche Städtetag sogar Übergriffe gegenüber Kommunalpolitikern - in der Regel Persönlichkeiten mit überschaubarer Prominenz und daher noch weit weniger auf solche Ausnahmesituationen gefasst.

Was läuft da schief? Manche Menschen wollen einfach nicht einsehen, dass es Tabus gibt, die unter keinen Umständen verletzt werden dürfen. Man kann ein Regierungsmitglied bei einem öffentlichen Auftritt minutenlang ausbuhen, auch wenn damit natürlich kein Dialog mehr möglich ist und die Veranstaltung sinnlos wird. Völlig daneben ist es jedoch, wenn sich Medien mit Eheangelegenheiten von Spitzenpolitikern befassen oder „Hausbesuche“ einer aufgebrachten Menge bei einem Ministerpräsidenten stattfinden.

Wieder einmal, wie in so vielen anderen Fragen, könnte einem der Philosoph Immanuel Kant helfen, dessen 300. Geburtstag wir heuer feiern. Der empfahl den Menschen, vor ihren Handlungen stets zu prüfen, ob sie ein solches Verhalten als generelle Verhaltensmaxime akzeptieren würden - auch dann, wenn sie selbst betroffen wären.

Wer Respekt und Wertschätzung für sich fordert, wovon ja heute so viel die Rede ist, der sollte das bitte auch gegenüber anderen praktizieren. Selbst wenn es ihm aus Wut oder Neugierde schwer fällt. Dann wäre viel gewonnen für unser Zusammenleben.

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