Klimaaktivisten sprechen trotz der Niederlage von einer historischen Entscheidung: Anwältin Roda Verheyen (rechts) freut sich nach der Urteilsverkündung mit dem per Video zugeschalteten peruanischen Bergbauern Saúl Luciano Lliuya.
© Bernd Thissen/dpa
1
Klimaaktivisten sprechen trotz der Niederlage von einer historischen Entscheidung: Anwältin Roda Verheyen (rechts) freut sich nach der Urteilsverkündung mit dem per Video zugeschalteten peruanischen Bergbauern Saúl Luciano Lliuya.

Das Urteil hat es in sich

Bauer aus Peru unterliegt RWE - doch Klimaskeptiker sollten sich nicht zu früh freuen

Es ist bemerkenswert, welch unscheinbare Paragrafen Rechtsgeschichte schreiben. Paragraf 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist so ein Paragraf. Er regelt eigentlich Nachbarschaftsstreitigkeiten, nämlich den Fall, dass ein „Störer“ das Eigentum eines anderen „beeinträchtigt“. Es ist dieser Paragraf, der die Grundlage für die Klimaklage eines peruanischen Bauern gegen den deutschen Energiekonzern RWE bildete.

Und das sagt ja viel über unsere Prioritäten aus: Wir zerstören das Klima und unsere Lebensgrundlagen - schon schlimm. Aber erst wenn das Eigentum beeinträchtigt wird - dann hört der Spaß in Deutschland wirklich auf. Denn genau so konnte der Peruaner RWE packen.

Mit seiner Klage, die aus der (Mit-)Verantwortung von RWE für den Klimawandel auch eine (Mit-)Haftung des Konzerns für die erwarteten Flutschäden an seinem Haus in Peru ableitete, hat Saúl Luciano Lliuya zwar letzten Endes eine Niederlage vor einem deutschen Gericht erlitten. Ein Gescheiterter ist er keineswegs, im Gegenteil.

Bauer aus Peru gegen RWE: Klimaskeptiker werten die Justiz-Entscheidung als Sieg - doch dafür bedarf es einiger Ignoranz

Kritiker nahmen den Prozess ja stets als Beleg für das Narrativ von den naiven Deutschen, die vor lauter Sendungsbewusstsein, die Welt retten zu wollen, gegen eigene Unternehmen vorgehen, während Staaten wie die USA und China gnadenlos ihre wirtschaftlichen Interessen verfolgen. Diese Kritiker werden das Urteil von Hamm dahingehend interpretieren, dass in diesem Land wenigstens die Richter noch Vernunft walten lassen.

Eine solche Interpretation bedarf allerdings einiger Ignoranz. Denn wer sich mit dem Prozess befasst hat, wer sich nun die Entscheidung ansieht, wird sehr schnell zu dem Schluss kommen, dass es vor Gericht nur sehr wenig um die Frage ging, ob der (ein peruanischer Bauer) das überhaupt darf (einen deutschen Konzern wegen des Klimawandels verklagen), sondern um eine ganz andere: die Frage nach der Wahrscheinlichkeit nämlich, inwiefern das Haus des Bauern bei einer Flutwelle tatsächlich fortgespült wird.

Stundenlange Vorträge von Sachverständigen später kam das Gericht jetzt zu der Antwort, dass diese Wahrscheinlichkeit bei lediglich einem Prozent liege - zu wenig. Was das Gericht keineswegs feststellte: dass RWE mit der ganzen Sache ja wohl gar nichts zu tun habe. Allein mit dem Eintritt in die Beweisaufnahme schrieb die Justiz Rechtsgeschichte - weil sie Haftung von Konzernen für die Folgen der Klimakrise an anderen Orten der Erde keineswegs vom Tisch fegte.

Antonio Oposa, der bereits 1990 im Namen künftiger Generationen die Philippinen wegen der Abholzung des Urwaldes verklagt hatte, beschrieb es einmal sehr treffend: Er verglich seine Arbeit als Anwalt mit der eines Gärtners. „Ich säe Samen, ohne zu wissen, was aus ihnen wird, in der Hoffnung, dass sie eines Tages blühen werden.“ Mit dem Prozess von Hamm ist so ein Samen gelegt. Und das macht Hoffnung, ein bisschen zumindest.

1 Kommentar