Unterschiedliche Politikstile

Bonjour Tristesse: Warum es zwischen Scholz und Macron einfach nicht läuft

Harald Baumer

Berlin-Korrespondent der NN

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15.3.2024, 13:37 Uhr
Lächeln für die Kameras, aber keine Einigung: Olaf Scholz und Emmanuel Macron.

© Lewis Joly, dpa Lächeln für die Kameras, aber keine Einigung: Olaf Scholz und Emmanuel Macron.

Es gab in der Nachkriegszeit kaum ein deutsch-französisches Politikerpaar, das eine so schlechte Beziehung hatte wie Olaf Scholz und Emmanuel Macron. Im Grunde ist es eine Nicht-Beziehung, die der Kanzler aus Berlin und der Präsident aus Paris seit zweieinhalb Jahren unterhalten. Das ist wirklich beängstigend.

Schon seit den frühesten Zeiten der europäischen Einigung und erst recht nach dem EU-Austritt Großbritanniens gilt die Regel: Wenn Frankreich und Deutschland an einem Strang ziehen, dann reißen sie den Rest der Union mit. Sie zählen gemeinsam mehr als 150 Millionen Einwohner und stellen damit jeden dritten EU-Bürger. Bei den Wirtschaftsdaten und der Stärke der Armeen ist es ähnlich.

Legendäre deutsch-französische Führungsduos

Im Laufe der Jahrzehnte bildeten sich legendäre Führungsduos heraus, denen man das von vornherein gar nicht unbedingt zugetraut hätte - Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, Helmut Schmidt und Valery Giscard d´Estaing, Helmut Kohl und Francois Mitterrand…

Nie wäre eine gute Zusammenarbeit so wichtig gewesen wie jetzt. Militärisch geht es um die weitere Unterstützung der Ukraine (erst recht nach einer möglichen Nato-Distanzierung durch die USA). Wirtschaftlich droht Europa zwischen amerikanischer und chinesischer Interessenpolitik unterzugehen.

Aber was passiert stattdessen? Scholz und Macron entfernen sich immer weiter voneinander statt sich anzunähern. Der Franzose fabuliert über ein Entsenden von Bodentruppen in die Ukraine, während der Deutsche nicht einmal die wirkungsvollen Taurus-Marschflugkörper in das angegriffene Land liefern will.

Macron und Scholz sind zwei höchst unterschiedliche Charaktere

Die Schuldfrage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Die Charaktere und der Stil der beiden Männer passen einfach nicht zusammen. Während Macron gerne öffentlich vorauseilt, zum Teil in wenig verantwortlicher Weise, ist Scholz extrem zurückhaltend und vorsichtig. Eine Mischung aus beidem wäre wohl der Lage am ehesten angemessen.

Auch die politischen Voraussetzungen passen nicht zusammen. Macron ist in seiner zweiten und letzten Amtszeit (bis 2027), während Scholz jetzt schon anfängt, an die nächsten Wahlen zu denken. Zudem ist der eine Staatspräsident und deswegen mit großen Vollmachten ausgestattet, während der andere immer seine Koalition im Auge haben muss.

Eine Lösung der Misere ist nicht in Sicht. Wenn sie nicht von allen guten Geistern verlassen sind, werden sich der Kanzler und der Präsident wenigstens auf einen Formelkompromiss einigen und gute Miene machen. Das ist schon mal weit besser, als öffentlich zu streiten.

Vermutlich würde sich erst dann wirklich etwas ändern in den deutsch-französischen Beziehungen, wenn 2025 Donald Trump amerikanischer Präsident würde. Bis dahin wären weitere wertvolle zehn Monate verstrichen.

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