Kurz vor der Wahl

Das konservative Lager splittet sich auf - und die CSU hat keine Antwort darauf

Roland Englisch

Nürnberger Nachrichten

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21.9.2023, 15:00 Uhr
Für Markus Söder geht es bei der Landtagswahl um alles. Aktuelle Umfragen allerdings lassen nichts Gutes ahnen.

© Peter Kneffel, dpa Für Markus Söder geht es bei der Landtagswahl um alles. Aktuelle Umfragen allerdings lassen nichts Gutes ahnen.

Der 21. September 2003 dürfte für Markus Söder aus heutiger Sicht ein Menetekel sein. An jenem Sonntag vor exakt 20 Jahren hatte die CSU ihr zweitbestes Wahlergebnis eingefahren: 60,7 Prozent reichten für eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag. Wenige Wochen später holte sich Wahlsieger Edmund Stoiber den jungen Söder als Generalsekretär in die Parteizentrale.

Der Anfang vom Abstieg

Seitdem geht es mit der CSU tatsächlich bergab. Die Verantwortlichen, allen voran Stoiber selbst, hatten das Ergebnis katastrophal fehlinterpretiert. Stoiber sah es als Freibrief an für einen brachialen Sparkurs. Zu den markantesten Maßnahmen zählten das Büchergeld an Schulen, das Aus für das Blindengeld und der Personalabbau bei der Polizei. Die CSU verspielte binnen Monaten das Vertrauen, das die Menschen ihr gegeben hatten.

Ohnehin war der Vertrauensüberschuss so stark gar nicht gewesen. Die CSU hatte zwar davon profitiert, dass Stoiber ein Jahr zuvor bei der Bundestagswahl als Kanzlerkandidat gescheitert war; viele Bayern hatten deshalb bei der Landtagswahl aus Trotz für ihn votiert. In absoluten Zahlen aber war der Stimmenverlust auch bei der CSU deutlich sechsstellig - wegen der niedrigsten Wahlbeteiligung aller Zeiten fielen die anderen nur noch weiter.

Die nächste Schlappe?

Und heute? Heute kämpft die CSU damit, dass sie seit jenen Stoiber-Tagen an Zuspruch verliert. Markus Söder hat 2018 mit 37,2 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 1950 für die CSU eingefahren; aktuelle Umfragen legen nahe, dass er es in zweieinhalb Wochen noch unterbieten könnte. Es wäre eine schwere Schlappe für den ehrgeizigen Nürnberger.

Söder verweist darauf, dass das konservative Potenzial in Bayern bei zwei Dritteln liege und mit den Freien Wählern und der AfD neben der CSU zwei weitere Parteien sich diesen Topf teilen. Das ist zwar richtig. Doch es erklärt nicht, warum die CSU ihre Wähler nicht mehr binden kann. Offensichtlich sind die Parteistrategen ratlos - einschließlich Söder.

Mehrfach geändert

Denn der hat verschiedene Ansätze getestet. 2018 versuchte er sich als etwas sanftere Kopie der AfD. Danach baute er die CSU zu einer konservativ-grünen Partei um. Inzwischen setzt er auf Grünen-Bashing und seit dieser Woche wieder auf die Flüchtlingskarte.

Gebracht hat all dies wenig, im Gegenteil. Es festigt bei vielen Söders Ruf als Populist, dessen Wertegerüst weich und der Tagesaktualität angepasst ist. Die Menschen vermissen eine klare, visionäre Linie von Bestand. Und sie wechseln. Übrigens weniger zur AfD. Die holt ihre Stimmen aus dem Lager der Nichtwähler, das hat sich 2018 gezeigt. 2018 hat die CSU vor allem an zwei Parteien verloren: an die Freien Wähler und an die Grünen. Es sieht so aus, als wiederhole sich das insbesondere bei den Freien Wählern. Für den CSU-Chef kann das bedrohlich werden. Denn nur der Erfolg hat viele Väter.

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