Ergebnis so schlecht wie nie

Das Pisa-Desaster: Ein Absturz mit Ansage

Kathrin Walther

Ressort Kinder, Familie und Bildung

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5.12.2023, 14:15 Uhr
Im Jahr 2001 stand Deutschland zum ersten Mal unter Pisa-Schock. Das aktuelle Ergebnis des internationalen Leistungsvergleichs offenbart: Das Niveau fällt immer weiter ab.

© Jens Büttner, dpa Im Jahr 2001 stand Deutschland zum ersten Mal unter Pisa-Schock. Das aktuelle Ergebnis des internationalen Leistungsvergleichs offenbart: Das Niveau fällt immer weiter ab.

So muss sich Homers Kassandra gefühlt haben, die trojanische Königstochter, die das Unheil kommen sah, aber kein Gehör fand. "Wir haben euch doch gewarnt!", könnten auch Kritiker und Kritikerinnen des Bildungssystems - und ihre Zahl wächst stetig - im Hinblick auf das aktuelle Pisa-Ergebnis sagen. Ein Schock, wie unter anderem die Deutsche Presse-Agentur titelt? Wer sich mit dem deutschen Schulniveau auf politischer, pädagogischer und wissenschaftlicher Ebene beschäftigt, für den ist das ein Absturz mit Ansage.

Es ist ein bisschen wie mit der Klimakrise und genauso verrückt: Ihre Existenz ist nicht mehr zu widerlegen, wir verfügen über Kenntnisse und Technik, um das Schlimmste abzuwenden - doch eine Umsetzung bleibt aus.

Genau so verhält es sich auch mit der Schule: Wir wissen, dass das System veraltet ist. Wir wissen, dass das Niveau sinkt, und zwar nicht erst seit Corona. Wir wissen, welche intellektuellen, sozialen und psychischen Kompetenzen unsere Kinder brauchen, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Wir wissen außerdem, dass die Ausbildung dieser Kinder das Kapital der Bundesrepublik Deutschland ist. Und zucken trotzdem resigniert mit den Schultern.

Das A und O ist die Sprachförderung

Nehmen wir nur das Beispiel Lesekompetenz. Unter anderem der renommierte deutsche Soziologe Aladin El-Mafaalani ("Mythos Bildung. Die ungerechte Gesellschaft, ihr Bildungssystem und seine Zukunft", 2020) sagt: Die wichtigsten Bildungseinrichtungen heute seien Kitas und Grundschulen. Sprachförderung muss demnach, auch das ist allgemeiner Konsens, so früh und gezielt wie möglich einsetzen. Um das sprachliche Niveau, mit dem die Kinder ihre Schulkarrieren starten, zu vereinheitlichen.

Eine kurze Randnotiz: Könnten Kinder zum Schulstart annähernd gleich gut Deutsch sprechen, wären mit Sicherheit auch die naturwissenschaftlichen und mathematischen Ergebnisse der Pisa-Studie besser.

Doch wie sieht die Realität aus? Dazu ein lokales Beispiel: Das Staatliche Schulamt Nürnberg musste den "Vorkurs Deutsch 240" , eine bayerische Kooperation zwischen Kitas und Grundschulen zur Förderung der Sprachentwicklung, drastisch kürzen, weil dazu die Leute fehlen - das Lehrkräftepersonal wird dringend benötigt, um den Kernunterricht in den Grundschulen abzudecken.

Ja mei, der Lehrkräftemangel ist halt Schuld, könnte man jetzt sagen. Oder das böse Smartphone. Oder die vielen Flüchtlinge. Mit Verlaub: Das ist überhaupt nicht hilfreich. Ein "Früher war alles besser"-Gezeter löst die Probleme jedenfalls nicht (und nebenbei: Unsere Gesellschaft braucht Flüchtlinge!). Ob nun endlich der längst überfällige Aufschrei aus der Bevölkerung kommt? Von Eltern, aber auch von Kinderlosen? Es geht um nichts weniger als unseren künftigen Wohlstand. Und der hängt entscheidend von der Bildung der jungen Generation ab.

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