
Kommentar
Der CSU kommt im neuen Kabinett eine Schlüsselrolle zu - an der sie scheitern könnte
Ob sich die CSU mit dem Griff nach dem Innenressort wirklich einen Gefallen getan hat, ist eine Frage, deren Antwort entscheidend sein könnte für das Wohl des ganzen Landes. Denn dort verdichtet sich eine ganze Reihe kritischer Themen von der Migration bis zur Inneren Sicherheit.
Insbesondere bei der Flüchtlingspolitik hat die Union die Erwartungen in die Höhe geschraubt. Das Motiv dahinter ist nachvollziehbar: Die Sorge war groß, die AfD könnte hier punkten und Merz, Söder und Co überholen. Das ist ihr zumindest diesmal nicht gelungen. Und es hängt nicht zuletzt von Alexander Dobrindt und der CSU ab, ob es auch bei der nächsten Wahl so bleibt.
Zu viel Einfluss kommt von außen
Die Bedingungen dafür sind nicht ideal. Deutschlands Handlungsspielraum ist längst nicht so groß, wie die Union die Menschen im Wahlkampf glauben machen wollte. Die Republik ist an eigenes und an europäisches Recht gebunden und bei der Rücknahme von Flüchtlingen an den Grenzen vom guten Willen ihrer Nachbarn abhängig.
Zumal dies nur lokale Pflaster wären, die weder die Ursachen für die weltweiten Flüchtlingsströme bekämpfen noch eine europäische Lösung voranbringen, wie sie ein wirkungsvoller Schutz der Außengrenzen wären. Beides wären ernsthafte und nachhaltige Ansätze. Doch beides braucht Zeit und Ressourcen. Die Union aber braucht schnelle und spektakuläre Erfolge, weil sie die ihren Anhängern versprochen hat.
Womit die Unionwähler sich zufriedengeben, welche Flüchtlingszahlen sie akzeptabel finden und welche nicht mehr, kann im Moment niemand seriös beantworten. Es ist möglich, dass die CSU an den selbst geschürten Erwartungen scheitern könnte - und mit ihr die gesamte Union. Wie realistisch das Szenario ist, zeigt ein Blick in die jüngere Vergangenheit und auf Horst Seehofer, der als CSU-Chef über Jahre die Migrationspolitik der Kanzlerin Merkel attackiert - und als Innenminister danach nichts verändert hat, trotz des Erwartungsdrucks, den er bewusst geschaffen hatte.
Die CSU sollte nicht nur deshalb gewarnt sein. Auch Bald-Kanzler Friedrich Merz hat den Schwarzen Peter nonchalant der kleinen Schwester zugeschoben. Sein vor der Wahl noch groß angekündigtes Machtwort, er werde die Grenzen sofort schließen lassen, sieht er nicht mehr als notwendig an. Dafür ist ja jetzt Dobrindt zuständig.
Scheitert die CSU, gewinnt die AfD
Das Risiko des Scheiterns ausgerechnet bei ihrem Kernthema ist nicht klein für die CSU. Und sicher gibt es Menschen, die sie aus den unterschiedlichsten Gründen gerne scheitern sähen - sei es, weil sie Söders Hybris nervt, sei es, weil sie sich eine andere „andere Flüchtlingspolitik“ wünschen. Doch hier ist wenig Platz für Illusionen: Beides hilft nur der AfD.
Die CSU steckt jetzt in einer gleich doppelten Zwickmühle. Denn da hat Parteichef Markus Söder recht: Die Zeiten des alten CSU-Doppelspiels vom Herrschen in Berlin und Stänkern in München sind vorbei. Die CSU steht im Wort und in der Verantwortung, diesmal für alle.
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