
Kommentar
Die Regierung Merz ist komplett: das spannendste Kabinett seit vielen Jahren
Frühere Regierungsbildungen sahen oft so aus: Man entdeckte viele altbekannte Gesichter und einige wenige, die ziemlich unbekannt waren. Beim Kabinett von Kanzler Friedrich Merz und Vizekanzler Lars Klingbeil ist es genau andersherum: Von einem guten Teil der Auserwählten haben selbst politisch Informierte kaum jemals etwas gehört. Fast bei jedem zweiten Namen muss man nachschlagen, um wen es sich da handelt.
Die Union hatte vorgelegt mit Persönlichkeiten wie Nina Warken (Gesundheit), Karsten Wildberger (Digitales) und Patrick Schnieder (Verkehr). Und die SPD ließ sich nicht lumpen, indem sie unter anderem Stefanie Hubig (Justiz) und Verena Hubertz (Bauen) präsentierte. Selten ist der Versuch eines Neuanfanges personell so stark unterfüttert worden wie jetzt.
Abschied der Promis
Geradezu in Serie mussten sich Promis verabschieden, die gerne noch weitergemacht hätten. Karl Lauterbach und Hubertus Heil etwa. Aspiranten wie Armin Laschet und Saskia Esken kamen nicht zum Zuge, obwohl sie nach althergebrachten Regeln mit einem Ministerposten hätten versorgt werden müssen. Um manche der Übergangenen ist es schade, ein Norbert Röttgen etwa hätte sicher einen tadellosen Außenminister gegeben.
Die Methode Merz/Klingbeil ist höchst interessant, wenn auch risikoreich. Wann hatte ein Kabinett zuletzt so viele Mitglieder mit unternehmerischer Erfahrung? Jetzt sind es vier Frauen und Männer, die Firmen geleitet haben. Wann gab es so viele Minister ohne Regierungserfahrung (etwa die Hälfte)?
Immerhin können Union und SPD denen, die die Politik als einen sich immer wieder selbst reproduzierenden Betrieb beschimpfen, das Gegenteil beweisen. Auch die althergebrachten Regeln des Regionalproporzes wurden so sehr übergangen wie selten zuvor.
Das mögliche Problem der neuen Aufstellung: Nun muss ein erfolgreicher Manager ohne Verwaltungserfahrung wie Digitalminister Wildberger ein bisher nicht vorhandenes Ressort aus dem Boden stampfen. Das ist noch viel schwieriger, als sich nur auf den Chefsessel zu setzen. Es geht um Räume, Personal und parlamentarische Durchsetzungskraft. Aber vielleicht ist es ja gut, dass ausgerechnet so ein Mann nun das Thema Staatsmodernisierung betreut. Er ist unverdächtig, im alten Stil weitermachen zu wollen.
Logische Sortierung
Die Sortierung der Ressorts scheint logisch. Kanzleramt und Außenministerium werden von der Union geleitet, was in international schwierigen Zeiten manches vereinfacht. Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) wird in Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) ein Gegenüber haben, das angesichts harter Migrationspolitik auf Rechtsstaatlichkeit achtet.
Dass der Raum Nürnberg mit drei Staatssekretärsposten überraschend gut abschneidet, ist zwar angesichts des überholten Regionalproporzes nicht das entscheidende Kriterium. Aber trotzdem ist es für eine erfolgreiche Wirtschaftsregion nicht unwichtig, im erweiterten Kabinett präsent zu sein.
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