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Karol Nawrocki hat die Präsidentschaftswahl in Polen gewonnen. Für die EU bedeutet das nichts Gutes.
© IMAGO/Andrzej Iwanczuk/NurPhoto
Karol Nawrocki hat die Präsidentschaftswahl in Polen gewonnen. Für die EU bedeutet das nichts Gutes.

Kommentar

Ex-Boxer Nawrocki wird polnischer Präsident: Ein Schlag ins Gesicht der EU-Befürworter

Weltgewandter Pro-Europäer, fünfsprachig, mit tadellosem Lebenslauf, versus Ex-Hooligan, dem Kontakte zu Neonazis nachgesagt werden, mindestens aber ein ausgeprägter Hang zu Nationalismus. Zwischen diesen beiden Extremen mussten die Menschen in Polen ihre Wahlentscheidung treffen.

Ganz Europa hat auf das Kopf-an-Kopf-Rennen geblickt, das sich Warschaus Bürgermeister Rafal Trzaskowski, der von der Regierungskoalition Donald Tusks unterstützte Kandidat, und der parteilose Historiker Karol Nawrocki, der von der rechtsnationalistischen Pis-Partei favorisierte Bewerber, in der Stichwahl geliefert haben.

Am Ende setzte sich der Anti-Europäer Nawrocki bei den Präsidentschaftswahlen knapp durch. Nicht nur für die EU eine schlechte Nachricht, auch in Warschau dürfte das Regieren schwierig bleiben (der scheidende Präsident Duda zählt ebenfalls zum Pis-Lager) oder gar noch schwieriger werden.

Denn eines ist offenkundig: Polen bleibt ein gespaltenes Land, europafreundliche Anhänger der liberalen Regierung und nationalistische Kräfte stehen sich unversöhnlich gegenüber. Polen spiegelt insofern eine Entwicklung wider, die wir seit einigen Jahren verfolgen können - die politische Mitte geht etlichen Demokratien verloren. In den USA ist das in Reinkultur zu beobachten, in Frankreich bahnt sich ein ähnlich unversöhnlicher Präsidentschaftswahlkampf an, wie wir ihn in Polen erlebt haben.

Polen nach der Präsidentschaftswahl: Typisch für alle Gesellschaften

Zurück nach Warschau: Dort sollte sich vor allem Regierungschef Donald Tusk angesichts des Wahlausgangs an die eigene Nase fassen: Seit er im Amt ist, versäumt er es, Politik offensiv zu gestalten. Tusk verwaltet und steht für die EU, doch im ländlichen Raum Polens punktet er damit nicht, er ist ein typischer Regierungschef des Gewinnerlagers der Transformation, in der sich alle Gesellschaften Europas derzeit befinden. Und diese Siegertypen sind vor allem in den Städten zu Hause.

Emotionen weckte da schon eher die Pis-Partei. Sie spielt geschickt auf die Ängste vieler der 38 Millionen Polinnen und Polen an. Diese Ängste haben auch mit neuen Normen zu tun. Egal ob es um die Homoehe geht oder um schwindende kirchliche Bindungen - nicht alle Menschen in Polen sehnen sich nach dieser woken Welt, viele wollen ihre alten Werte nicht kampflos aufgeben.

Womit wir wieder mitten in den Prozessen wären, die derzeit in vielen Demokratien ablaufen. Destruktive, populistische und nationalistische Kräfte gewinnen an Zuspruch, indem sie die Gefühlsebene geschickt ansprechen. Ihnen gegenüber stehen häufig technokratisch geführte liberale Lager.

Die Polen haben sich mehrheitlich für die Bewahrung der alten Welt entschieden. Das ist zugleich ein Votum gegen die EU und gegen Reformen. Die Herausforderung für Tusks Regierung sind also enorm. Zumal der neue polnische Präsident deutlich mehr Kompetenzen hat als dies in Deutschland der Fall ist. Ex-Boxer Nawrocki kann Wirkungstreffer gegen die EU setzen.

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