Oft ist der Unterschied zwischen Fakt und Fake gar nicht groß.
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Oft ist der Unterschied zwischen Fakt und Fake gar nicht groß.

Medien, die Scheuklappen tragen

Gefährden soziale Netzwerke die Demokratie? Ja, wenn sie weiter Dialog einschränken statt fördern

Es ist eine Art Kampf gegen Windmühlenflügel: Was in den sozialen Netzwerken alles an Müll zu sehen und lesen ist, übersteigt die Vorstellungskraft von Menschen, die nur wenig Zeit auf Facebook, Instagram oder - weit drastischer - TikTok oder Telegram verbringen. Und die wenigen Ansätze, diese Flut an Verschwörungstheorien, Fake News, Propaganda und relativ wenig guter Information zu regeln oder zumindest zu sichten, blieben bisher ziemlich erfolglos.

Wobei der Begriff "soziale Netzwerke" irreführend ist: Dort kursiert oft Inhalt, der alles andere als sozial, teils eher asozial ist. Was richtet es in Menschen an, wenn sie oft viele Stunden am Tag auf solchen Kanälen verbringen? Welche Folgen hat es für die gesellschaftliche Entwicklung, für die Demokratie?

Fragen, die erst allmählich in den Blick rücken

Fragen, die erst allmählich in den Blick rücken - auch, weil die Antworten alles andere als einfach zu finden sind. Aber die Debatte lohnt sich, denn die Analyse des Regensburger Politikwissenschaftlers Stephan Bierling ist schwer von der Hand zu weisen - und dürfte von vielen geteilt werden: Soziale Medien sind demokratiegefährdend - zumindest in der Form, wie wir sie erleben.

Die Algorithmen der Anbieter sorgen nämlich dafür, dass wir immer mehr von dem zu sehen und lesen bekommen, was unsere Meinung bestätigt. Andere Stimmen, Gegenargumente - die landen kaum bei uns. Und: Besonders oft werden krasse Inhalte verbreitet, extreme Gefühle, auch Hass - weil da die Klickzahlen am höchsten sind. Es ist eine vor allem emotionale Erregungsmaschinerie - und ein höchst profitables Geschäft für die Plattformbetreiber.

Die Grenzen zwischen Wahrheit und Lüge verschwimmen

Die Gefahren sind offensichtlich: Politiker wie Trump verwischen die Grenze zwischen Fakten und Lügen. Ihre Anhänger steigen darauf ein - und es wird so zusehends beliebig, was wahr oder falsch ist. Brisant wird das dann erst recht, wenn autoritäre Herrscher Medien in ihre Kontrolle bringen - wie etwa Orbán dies in Ungarn tat.

Umso wichtiger sind Medien, die ihre Kontrollfunktion ernst nehmen. Die beleuchten, was Fakt ist oder falsch. Und Medien-Nutzer, die wissen, wie sie seriöse Medien erkennen. Das lässt sich in Schulen lernen, die weit mehr Medienkunde anbieten müssten - als Schutz für die Demokratie, die vom Austausch konträrer Meinungen lebt.

Soziale Netzwerke liefern das nicht. Soll man sie deshalb für Jugendliche verbieten? "Wir verbieten auch Alkohol und Zigaretten für Jugendliche – beides ist weniger schädlich für die Demokratie als die sozialen Medien", sagt Stephan Bierling.

Das dürfte stimmen. Aber Verbote sind stets heikel, sie werden als Zensur attackiert, sie erhöhen eher den Anreiz auf das, was da (nicht) zu sehen ist. Besser ist es, mehr zu informieren. Und zwar auch in den sozialen Netzwerken, die seriöse Parteien und Medien nicht den Trollfabriken und Propagandisten überlassen dürfen. Es gilt, gegenzuhalten. Mit gut gemachter, seriöser Information, auf allen Kanälen.

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