Neuer Chef in Bamberg: Herwig Gössl wird nach dem Rücktritt von Erzbischof Schick das Erzbistums Bamberg künftig leiten.
© Daniel Löb/dpa/Archivbild
Neuer Chef in Bamberg: Herwig Gössl wird nach dem Rücktritt von Erzbischof Schick das Erzbistums Bamberg künftig leiten.

Kirche in der Krise

Herwig Gössl: Von Bambergs neuem Erzbischof sind keine Wunder zu erwarten

Über 70.000 Katholiken haben das Erzbistum Bamberg in den vergangenen zehn Jahren verlassen, allein 2022 waren es 15.000 Menschen. Vom freien Fall zu sprechen, ist also nicht falsch. Der neue Erzbischof Herwig Gössl wird deshalb vor allem als Krisenmanager gefordert sein. Theoretisch könnte der 56-Jährige knapp zwei Jahrzehnte Chef des zweitwichtigsten Bischofspostens in Bayern bleiben...

...um dann, zu Beginn der 40er Jahre, auf ein Bistum in Auflösung zurückzublicken? Wir wissen es nicht. Fest steht, dass die Austrittswelle in den vergangenen Jahren gewaltig an Dynamik zugelegt hat. Viele katholische Gläubige fühlen sich nicht mehr mitgenommen von der Institution Kirche, deren Außenwahrnehmung von Missbrauchsskandalen geprägt ist. Andere, das ist ebenso bedenklich, fühlen sich nicht mehr emotional angesprochen. Wie reagiert der Vatikan darauf?

Beliebter Ex-Chef: Ludwig Schick erfreute sich hoher Akzeptanz während seiner langen Amtszeit als Erzbischof von Bamberg.

Beliebter Ex-Chef: Ludwig Schick erfreute sich hoher Akzeptanz während seiner langen Amtszeit als Erzbischof von Bamberg. © Matthias Merz, dpa

Gar nicht. Zumindest nicht, indem er Deutschlands Sonderrolle Ernst nimmt. In Rom wird auf die Weltkirche verwiesen, die tatsächlich ein Wachstumsmarkt ist. Sollen die 27 Bistümer in der Bundesrepublik doch ausdörren, so könnte man das Gezänk um den Synodalen Weg auch verstehen. Dabei geht es einigen Bischöfen nur ums Überleben: Sie wollen ihren Kirche eine Zukunftsperspektive weisen.

Das Zölibat, die Rolle der Laien, all das sind berechtigte Fragen, gerade in Zeiten, in denen sich kaum mehr Nachwuchskräfte, die das Priesteramt anstreben, finden lassen. Egal. Bischof wird nur, wer die konservative Grundhaltung verinnerlicht hat. Von Herwig Gössl sollten also keine Überraschungen erwartet werden. Der in Nürnberg aufgewachsene Geistliche hat schon 2021 Haltung bewiesen, als er eine Liberalisierung in Sachen Sexualität und Partnerschaft nicht mitgehen wollte.

Der Vatikan geht mit Gössls Berufung kein Risiko ein

Gössl, der als zurückhaltend gilt, weiß also sehr genau um die Grenzen seines Handlungsspielraums. Und offenbar erfüllt er das ideologische Anforderungsprofil. Denn gerade bei einer Hausberufung, also einer Nachfolgeregelung aus den eigenen Reihen, geht der Vatikan kein Risiko ein. In der Kirchenzentrale hat man schon genug Probleme, einen aufmüpfigen Erzbischof in Oberfranken braucht es nicht zusätzlich.

Spannender, als die theologische Seite von Gössls Tun zu beobachten, wird es wohl sein, seine Fertigkeiten als Kernsanierer zu verfolgen: Wie reagiert er auf die Gleichgültigkeit weiter Teile der verbliebenen Mitglieder? Welche Kirchen werden in seiner Amtszeit entweiht? Wie begegnet er dem Priestermangel? Und welche katholischen Einrichtungen in seinem Erzbistum schließt er zuerst?

In Zeiten sinkender Kirchensteuereinahmen sind das sehr praktische Fragen. Noch leistet sich die katholische Kirche viel. Zu viel, wenn die Mitgliederzahlen weiter sinken. Diesen Trend aufzuhalten, käme einem Wunder gleich - selbst im Vatikan rechnet damit niemand.

Keine Kommentare