Umfrage zum Glauben

Kommentar: Warum Religion für viele unwichtig ist

24.9.2021, 07:02 Uhr
Oft leer: Blick in eine Kirche. Nicht nur wegen Corona gehen die Besucherzahlen bei Gottesdiensten zurück.

© Uli Deck, dpa Oft leer: Blick in eine Kirche. Nicht nur wegen Corona gehen die Besucherzahlen bei Gottesdiensten zurück.

Noch sind es etwas mehr als die Hälfte: 51 Prozent der Deutschen sind Mitglied der katholischen oder der evangelischen Kirche. Aber nur für rund ein Drittel der Bürger ist Religion wirklich wichtig. Nicht einmal alle derer, die (noch) zur Amtskirche gehören, sind also offenbar von der Bedeutung des Glaubens überzeugt.

Vertrauen verspielt

Erstaunen können diese Umfrage-Ergebnisse keineswegs. Denn die Kirche selbst war es vor allem, die in den vergangenen Jahren mit aller Energie daran gearbeitet hat, Vertrauen zu verspielen und Menschen abzuschrecken statt einzuladen.

Die katholische Amtskirche ist bei der Arbeit am eigenen Bedeutungsverlust aktuell deutlich erfolgreicher als die Protestanten. Das zeigte sich auch diese Woche, als die Bischöfe in Fulda tagten. Ihr Vorsitzender Georg Bätzing forderte zum Auftakt "neues Denken" und "Mut zur Umkehr". Und dann? Sprach der päpstliche Nuntius - und warnte in einer Art Drohbotschaft vor Reformen und zu viel Eigenständigkeit; die Einheit der katholischen Kirche sei wichtiger als Erneuerung.

Wenn ein Rücktritt abgelehnt wird

Das verfolgen viele ebenso mit Kopfschütteln bis Entsetzen wie die Meldung, dass der Papst vor kurzem das Rücktrittsgesuch des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße ablehnte. Der Geistliche wollte die Konsequenz aus Missbrauchs-Vorwürfen ziehen - doch seine Kirche erlaubt dies nicht.

Zwei Antipoden: Der umstrittene Kölner Erzbischof von Köln, Rainer Maria Woelki (rechts), und der Müchner Kardinal Reinhard Marx bei der Bischofskonferenz in Fulda.

Zwei Antipoden: Der umstrittene Kölner Erzbischof von Köln, Rainer Maria Woelki (rechts), und der Müchner Kardinal Reinhard Marx bei der Bischofskonferenz in Fulda. © Peter Back via www.imago-images.de

Auch bei den Protestanten gab es Missbrauchsfälle. Doch der Bedeutungsschwund von Religion dürfte weitere Gründe haben. Natürlich hat Corona samt der Folgen auch den Kirchen zu schaffen gemacht: Lange Zeit ohne Gottesdienste, wenig Kontakt zwischen Pfarrern und Gemeindegliedern - da geht rasch verloren, was für Vertrauen wichtig ist: Nähe und Kontakt.

Ein kaum zu schaffender Spagat

Ob das tatsächlich durch eine zusehends digital agierende Kirche ausgeglichen werden kann? EKD-Ratspräsident Heinrich Bedford-Strohm forderte dies gerade. Doch da stecken die Kirchen im gleichen Dilemma wie große Unternehmen, Behörden oder auch Medien: Ein Gutteil der älteren Kunden/Gläubigen beharrt auf den alten Formaten, jüngere sind oft auf ganz anderen Kanälen unterwegs - der Spagat, möglichst viele anzusprechen, misslingt oft.

Interessant sind auch andere Ergebnisse der Umfrage: Sinnstiftung und Seelsorge seien für Kirchen wichtiger als politisches Engagement. Das dürfte jenen Auftrieb geben, die gerade Bischöfen wie Bedford-Strohm oder Reinhard Marx zu viel politisches Engagement vorwerfen - dabei ist Kirche in ihrem Einsatz für Schwache stets politisch.

Was zu kurz kommt

Offenbar aber kommt jenen, die noch auf ihren Glauben bauen und hoffen, das Spirituelle zu kurz - vielleicht auch sinnenfrohe Gottesdienste, die es nicht nur wegen Corona nur selten gibt.

Ethikrat statt Kirchenvertretern

Apropos Corona: Da wurden und werden Kirchen-Vertreter kaum gehört in Talkrunden oder Befragungen. Stattdessen sitzen da Frauen oder Männer des Ethikrats - auch dies ein Zeichen für eine zusehends religionsfreie Gesellschaft.

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