
Kommentar
Musik verbindet Menschen über alle Grenzen hinweg - aber nur, wenn sie das auch wollen
Der European Song Contest ist immer mehr ein Fest der Vielfalt und des Lebens - auf die Art, wie es gefällt. Frei, grenzenlos, ohne Rücksicht auf Konventionen und Regeln.
Erneut gewann nach Nemo 2024 ein queerer Sänger: Auch JJ, der Österreicher mit philippinischen Wurzeln, sang eine Ode auf die - vergebliche - Liebe. Und ja, es mag sein, dass die Kulturindustrie momentan auf dieser Welle reitet, die ihre Gegner mit dem Schlag-Wort „woke“ attackieren.
Aber: Kein Herrscher der Welt kann Liebe verbieten, auch wenn er, wie Trump, festschreiben lässt, dass nur noch zwei Geschlechter existieren. Hilft nichts: Es gibt mehr Arten des Lebens und des Liebens, schon immer. Aber der Zeitgeist fördert Intoleranz.
Minderheiten wollen Mehrheiten belehren und überhöhen sich teils. Mehrheiten werden zusehends aggressiv und grenzen Minderheiten aus.
Wo man singt, da lass dich ruhig nieder - böse Menschen haben keine Lieder: Dieser Spruch ist Unsinn. Leider. Auch die Nazis oder der Vietcong hatten ihre Lieder, die sie beim Morden sangen. Musik spiegelt Lebensweisen wider - und verbindet nur die, die sich auch wirklich verbinden lassen wollen.
Donald Trump hat schon mal Bruce Springsteens Hymne „Born In The USA“ spielen lassen - wohl, weil er den amerika-kritischen Text nicht kannte. Springsteen verbat sich das. Der „Boss“ prangert nun auf seiner Tour vehement an, dass Trump Freiheit und Demokratie abbaut. Darauf beschimpfte ihn der angehende Autokrat im Weißen Haus derb - und: man werde sehen, was aus ihm wird, wenn er zurück sei in den USA. So droht ein Mafiaboss.
Trump beleidigte auch Taylor Swift. Die US-Musikergewerkschaft stellte dazu das eigentlich Selbstverständliche fest, das für Trump (und andere) nicht selbstverständlich ist: „Musiker haben das Recht auf freie Meinungsäußerung. Und wir stehen solidarisch hinter all unseren Mitgliedern.“
Viele haben Sehnsucht nach Gemeinschaft und „ein bisschen Frieden“
An diesem Sonntag, der im christlichen Kalender „Kantate“ heißt („Singt!“), war nach dem ESC ein weiteres Ereignis mit Magnetfunktion zu erleben: die Einführung von Papst Leo XIV., auch da mit viel Musik. So unterschiedlich die Formate sind: Wer sie verfolgt, hat Sehnsucht nach gutem Miteinander und „ein bisschen Frieden“, den sich Nicole 1982 wünschte und den Grand Prix gewann.
Es gibt diesen Frieden kaum. Nicht in der Ukraine, nicht in Gaza, wo Israels Krieg nun alle Regeln überschreitet. Das hatten viele wohl im Hinterkopf, als Yuval Raphael, eine Überlebende des Hamas-Terrors vom 7. Oktober, mit ihrer herzzerreißenden Ballade Platz zwei beim ESC gewann mit dem Hoffnungs-Lied „New Day Will Rise“.
Aber dieser neue Tag ist fern. „Zu viel Zwietracht“, zu viele Wunden, „die durch Hass, Gewalt, Vorurteile, Angst vor dem anderen und durch ein Wirtschaftsmodell verursacht werden, das die Ressourcen der Erde ausbeutet und die Ärmsten an den Rand drängt“, so der Papst. Starke Stimmen der Hoffnung - in Basel beim ESC und im Vatikan.
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