Der britische Premierminister Keir Starmer (links) begrüßt den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in London.
© Kin Cheung/AP/dpa
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Der britische Premierminister Keir Starmer (links) begrüßt den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in London.

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Nach dem Ukraine-Eklat: Europa muss raus aus der Tatenlosigkeit

Freitag, 28. Februar 2025: Möglicherweise wird dieses Datum als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem die Europäische Union endlich erwachsen wurde - oder scheiterte und unterging. Es ist der Tag, an dem US-Präsident Donald Trump seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyi in einem beispiellosen Akt politischer Wüterei vor die Tür des Weißen Hauses gesetzt hat.

Und es ist der Tag, an dem Trump alle gemeinsamen transatlantischen Werte beerdigte, die die USA und die EU bislang verbanden. Ein Vorgang, dessen historische Dimension noch gar nicht abgeschätzt werden kann. Europa, das ist die klare Botschaft aus Washington, muss ab sofort selber für seine Zukunft sorgen, mehr noch, es kann sich nicht mehr auf die USA verlassen.

Es ist daher gut und richtig, wenn Großbritannien und Frankreich (und hoffentlich bald auch Deutschland) einen Plan für eine Waffenruhe in der Ukraine anstreben. Möglichst schnell aus der Schockstarre und der Tatenlosigkeit herauskommen, darum muss es den Europäern jetzt gehen. Gerne in einer "Koalition der Willigen" und ohne die ewigen Quertreiber und Putin-Vasallen wie den ungarischen Ministerpräsidenten Orban.

Putins willfähriger Unterstützer

Eine Waffenruhe wird schwierig genug zu erreichen sein. Russlands Präsident Putin wird angesichts der willfährigen Unterstützung aus Washington noch weniger Anlass haben, auch nur einen Millimeter auf die Ukraine zuzugehen.

Daher ist es ja so wichtig, das angegriffene Land nicht im Regen stehen zu lassen. Europa muss die vermutlich ausbleibenden Waffenlieferungen der USA kompensieren. Denn eine starke Ukraine liegt im ureigensten Interesse der EU (und der Nato), sonst sind auch die baltischen Staaten und Polen nicht mehr sicher.

Dafür wird die EU wohl auch in die Rüstung investieren müssen. Truppen, die bislang vor allem auf den Bedarf der einzelnen Staaten ausgerichtet waren, müssen zu einer europäischen Armee umgebaut, vor allem fehlende Luftabwehr-, Transport- und Geheimdienst-Kapazitäten ergänzt werden.

Braucht Europa einen eigenen atomaren Schutzschirm?

Momentan wären die EU und die Nato ohne die USA nicht mal in die Lage, eine Friedenstruppe in der Pufferzone zwischen der Ukraine und Russland angemessen abzusichern. Und auch die unbequeme Fragen nach einem gemeinsamen atomaren Schutzschirm wird nach dem Ausfall der USA zu beantworten sein.

Die Ukraine stärken, selber stark werden und den Krieg beenden: Eine unmögliche Aufgabe für die notorisch zerstrittene EU? Ja, schwierig wird es werden, aber nicht unmöglich.

Die EU, ein schlafender Gigant

Immerhin handelt es sich bei der EU um die größte Wirtschaftszone der Welt, die bereits heute rund 400 Milliarden Euro für ihre Streitkräfte ausgibt und 2,6 Millionen Soldaten unter Waffen hat.

Laut Trump wurde die EU nur erfunden, um den USA zu schaden. Er könnte nicht weiter daneben liegen mit seiner Aussagen - und macht doch unfreiwillig klar, dass die EU ein schlafender Gigant ist, den er hoffentlich gerade geweckt hat.

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