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Die Grenzkontrollen widersprechen nicht nur der europäischen Idee, sondern sind auch wirkungslos.
© Robert Michael/dpa
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Die Grenzkontrollen widersprechen nicht nur der europäischen Idee, sondern sind auch wirkungslos.

Europäische Idee

Politischer Zirkus an der Grenze: Warum wir am Schengen-Abkommen festhalten müssen

Dieser Satz war eine Revolution: „Die Binnengrenzen dürfen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden.“ So ist es im Schengen-Abkommen festgeschrieben. So haben sich die ersten Mitgliedstaaten dieses Abkommens vor 40 Jahren geeinigt. Nach und nach bauten sie die Grenzkontrollen ab, 1995 fielen sie gänzlich weg. Bis 2015, als mehr und mehr Länder damit begannen, ihre Grenzen wieder zu kontrollieren. Die Bundesregierung treibt das nun auf die Spitze - mit der Zurückweisung von Menschen erreichen die Grenzkontrollen eine neue Dimension.

Damit gefährdet sie nicht nur die große Errungenschaft von Schengen: dass wir in großen Teilen Europas frei reisen können. Sie gefährdet auch die europäische Idee. Einreisende werden überprüft, Geflüchtete an den Grenzen gestoppt und, wo möglich, abgewiesen.

Dabei sind diese Grenzkontrollen nicht nur rechtlich umstritten, sie bringen schlicht nichts: keine Abschreckung, keine Begrenzung der Geflüchteten - bislang wurden nicht einmal 200 Asylsuchende abgewiesen. Dafür bedeuten sie einen Ausnahmezustand bei der Bundespolizei, der höchstens ein paar Monate aufrechtzuerhalten ist. Das sagen nicht etwa Asylverbände, sondern die Gewerkschaft der Polizei.

Was die Grenzkontrollen aber tatsächlich senden, ist ein Signal an die europäischen Nachbarländer: Im Zweifel lassen wir euch allein. So zerrt die Große Koalition aus nationalen Beweggründen an den Errungenschaften von Schengen - und setzt den europäischen Zusammenhalt aufs Spiel, ausgerechnet in einer Zeit, in der mit Russlands Angriffskrieg und Trumps Politik dieser Zusammenhalt besonders wichtig wäre.

Ressourcen besser nutzen

Deutschland steckt derzeit Geld und Ressourcen in ein Vorgehen, das keinerlei Effekt hat. Auch sind die Schleuserstrukturen viel zu professionell, als dass zeitlich begrenzte Kontrollen ihr Geschäft durchkreuzen würden. Die Schleuser halten Geflüchtete einfach so lange zurück, bis die Grenzen nach Deutschland wieder weniger kontrolliert werden, und bringen sie dann ins Land.

So oder so muss klar sein: Es darf nicht unser Ziel sein, ein möglichst unattraktives Land für Geflüchtete zu werden - aus Menschlichkeit wie auch aus nationalem (Wirtschafts-)Interesse. Und: Wir dürfen das Schengen-Abkommen erst recht nicht für ein bisschen politischen Zirkus mit zweifelhafter Wirkung aufs Spiel setzen.

Die Ressourcen, die aktuell in die Bundespolizei an der Grenze fließen, sollten lieber in die Asyl- und Integrationsprozesse im Land fließen. So können wir Integration auch in den Arbeitsmarkt ermöglichen. So können wir Kriminalität verhindern, die durch endloses Bangen und Warten ohne Zukunftsaussichten, ohne Jobmöglichkeiten oder ohne Privatsphäre in Geflüchtetenunterkünften entstehen kann. Und damit die Schwierigkeiten direkt hier lösen. Denn das Problem liegt nicht an den Menschen, die kommen. Sondern wie wir mit ihnen umgehen.

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