
Kommentar
Trump demütigt Selenskyi vor den Augen der Weltöffentlichkeit
Es ist ein beispielloser Eklat, der da vor den Augen der Weltöffentlichkeit im Weißen Haus stattgefunden hat: US-Präsident Trump beleidigt den ukrainischen Präsidenten Selenskyj auf offener Bühne und verdreht - nicht zum ersten Mal -, wer in diesem Krieg Täter und wer Opfer ist. Wem jetzt immer noch nicht klar ist, woher der Wind für die Ukraine, aber auch für Europa, in Zukunft weht, dem ist nach dieser Szene auch nicht mehr zu helfen.
Trump, das hat er mit diesem Auftritt noch einmal überdeutlich gemacht, sind Werte und Verbündete völlig egal. Ihm geht es um den Deal, ums Geschäft, in diesem Fall um die Rohstoffe der Ukraine. Wenn sein "Geschäftspartner" (man kann dieses Wort eigentlich nur noch zynisch verwenden) nicht so spurt wie er, wendet Trump sich eiskalt ab, nicht ohne vorher nochmal kräftig auszuteilen.
Putin wird sich ins Fäustchen gelacht haben
Für die Ukraine stand viel, möglicherweise das Überleben der Nation in Washington auf dem Spiel. Und dennoch kann man es Selenskyj nicht verübeln, dass er das Treffen abgebrochen hat. Wer so vorgeführt wird, wer mit einem Gegenüber zu tun hat, das erkennbar nicht auf Verhandlungen, sondern auf Rache für angebliche Undankbarkeit aus ist, kann nichts mehr ausrichten.
Selenskyjs Gegenspieler hingegen, der russische Präsident Putin, wird sich ein weiteres Mal zufrieden ins Fäustchen gelacht haben. Was seine Truppen in drei Jahren des Angriffskriegs nicht ausrichten konnten, erledigt Trump binnen weniger Tage. Erst nennt er Selenskyj einen Diktator, dann lässt er sich die Unterstützung des angegriffenen Landes für einen vermutlich fragwürdigen Rohstoffdeal abkaufen (zu dem es jetzt möglicherweise nicht mehr kommen wird) und untergräbt nun mit seiner 15-Minuten-Tirade die Moral der Ukraine.
Die Europäer und auch die Nato müssen jetzt endgültig akzeptieren, dass die über Jahrzehnte gepflegten Formen der Diplomatie und des Ausgleichs nichts mehr zählen. Auf die USA ist unter diesem Präsidenten kein Verlass mehr. Auf ihn wird man nur noch dann zählen können, wenn man etwas anzubieten hat. Aber wie fair können Geschäfte mit jemanden sein, der nur den eigenen Vorteil im Sinn hat und noch dazu über das weltweit größte Waffenarsenal verfügt?
Der gestrige Auftritt Trumps sollte auch all jene beunruhigen, die sich von ihm Frieden für die Ukraine oder im Nahen Osten erhofft haben. Schon möglich, dass die Waffen in der Ukraine demnächst schweigen werden - aber einen dauerhaften Frieden, der das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine berücksichtigt und andere Länder vor den Machtgelüsten Putins schützt, wird es so nicht geben.
Es wird spannend sein zu beobachten, wie der deutsche Kanzler in spe, Friedrich Merz, mit dieser höchst heiklen Situation umgeht. Die Reisen des französischen Präsidenten Macron und des britischen Premiers Stahmer jedenfalls haben bei Trump nichts bewirkt - und nur noch einmal gezeigt, wie machtlos die Europäer inzwischen sind.
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