
Viele Stimmen für rechtsaußen
U18-Wahlen zeigen: Die Politik tut viel zu wenig gegen Extremismus
Es ist was faul im Staate, und zwar nicht wie bei "Hamlet" in Dänemark, sondern hier, mitten unter uns. Wenn Jugendliche sich zum Extremismus hingezogen fühlen, und genau dieser Eindruck entsteht beim Blick auf die U18-Wahlen, dann läuft etwas mächtig schief.
Mündige Bürgerinnen und Bürger soll die Schule hervorbringen, leiern Bildungspolitiker gebetsmühlenartig herunter. Genau das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Wer Falschbehauptungen und Hetze nicht hinterfragt oder nicht hinterfragen kann, ist unmündig. Wählen darf er später aber trotzdem, das ist ein veritables Problem. Und dass nicht hinterfragt wird, ist beileibe kein Alleinstellungsmerkmal der Jugend. Auch vielen Erwachsenen ist die Fähigkeit abhanden gekommen, Fakten von Falschbehauptungen zu trennen.
Absurde Aussagen
Die Ursachen sind schnell ausgemacht. Zum einen: Je näher der Termin der Landtagswahlen rückt und je höher die AfD in den Umfragen klettert, desto absurder werden die Aussagen von Politikern. Asylsuchende nehmen die lebensgefährliche Fahrt übers Mittelmeer auf sich, um sich die Zähne richten zu lassen? Das ist nicht nur a) völliger Unsinn und b) inhaltlich vollkommen falsch, sondern verhöhnt c) auch noch jene, die ihr Land verlassen, weil sie um ihr Leben fürchten. Und die nichts anderes tun, als ihr international verbrieftes Recht auf Schutz vor Verfolgung wahrzunehmen.
Eine bessere Steilvorlage kann man den Ultrarechten im Land kaum verschaffen. Lauter poltern als der Oppositionsführer können sie kaum, und das brauchen sie auch gar nicht. Sie können sich bequem zurücklehnen und zusehen, wie solche dumpfen Parolen die Stammtische erobern und ihnen die Wähler in Scharen zutreiben.
Dabei hatte Friedrich Merz einst einen Satz gesagt, den man gar nicht dick genug unterstreichen kann: "Was in der Schule schief läuft, kann man hinterher in der Gesellschaft kaum noch wieder korrigieren“. Wird dort gelehrt, wie man die Rattenfängermethoden extremistischer Parteien durchschaut? Wie man populistisch anmutende Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen kann? Wie man sauber Fakten recherchiert, statt Behauptungen aus ultrarechten Internet-Blasen nachzuplappern?
Politische Bildung ist oft ein Fremdwort
Gleichzeitig fordern manche ein Wahlrecht mit 16; das ist abenteuerlich, solange politische Bildung an Schulen nahezu ein Fremdwort ist, obwohl eine der Schlüsselqualifikationen fürs 21. Jahrhundert ganz klar lautet: Finde dich zurecht im digital-medialen Informations-Dschungel, und lass dich nicht veräppeln. Bildungspolitiker müssen endlich verstehen: Wissen heißt nicht "auswendig wissen", sondern "wissen, wie man etwas hinterfragt und verifiziert."
Wäre die AfD bei Schülern derart populär, würde ihr Parteiprogramm in den Klassen sauber analysiert? So wie das unlängst der DGB gemacht hat, der Punkt für Punkt nachwies, dass die AfD ausgerechnet jene schlechter stellen würde, bei denen sie die meisten Stimmen holt? Nämlich bei jenen mit niedrigerem Bildungsgrad und dementsprechend niedrigen Einkommen?
Nein, sie käme niemals auf solche Wahlergebnisse, hätten wir endlich den Mumm, das schwer in die Jahre gekommene Bildungssystem neu aufzustellen und an die Begebenheiten einer modernen Zivilgesellschaft anzupassen. Alle zwei Stunden ein anderes Fach, an fünf Tagen die Woche, kaum Zeit für Debatten oder kritisches Nachdenken/Hinterfragen, das ist wirklich nicht mehr zeitgemäß. Sozial- oder Staatsbürgerkunde ist ein Nebenfach, das irgendwie mitläuft. Und da wundern sich alle, dass extremistische Parteien oder auch Verschwörungstheoretiker Zulauf haben?
Dass die Politik nicht verstanden hat, wie sehr die Gesellschaft auseinanderdriftet, zeigt die Mittelkürzung der Bundeszentrale für politische Bildung. 20 Millionen nimmt ihr die Ampel laut Haushaltsentwurf 2024 weg, das ist ein Fünftel ihres Etats. Zahlreiche Projekte der Einrichtung stehen damit vor dem Aus. 20 Millionen weniger in Zeiten, da die Antidemokraten 20 Prozent und mehr erwarten können. Geht es noch kurzsichtiger? Gegen Extremismus hilft nur eines: Bildung, Bildung und nochmals Bildung.
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