
Laufer rechtfertigt sich
Verstoß gegen Satzung des Bauernverbands? Streit um Nominierung von Günther Felßner zum Agrarministe
Sollte der Präsident eines Lobbyverbandes Minister in einem Kabinett werden dürfen? Über diese Frage ist mit Blick auf den Bayerischen Bauernverband (BBV) Streit entbrannt. Dessen Vorsitzender, Günther Felßner, kandidiert als CSU-Kandidat für den nächsten Bundestag. Nach dem Willen der CSU soll er - in einer möglichen Regierung mit Unionsbeteiligung - Bundeslandwirtschaftsminister werden.
Die Begründung: "Er ist ein Praktiker, er kommt von der Basis", sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Im vergangenen Winter habe Felßner dazu beigetragen, dass die Bauernproteste im Freistaat friedlich verlaufen seien. Er sei dabei nicht nur das Gesicht der Landwirtschaft gewesen, sondern auch der "breiten Gesellschaft". Schließlich hätten sich an den Demonstrationen auch Handwerk, Gastronomie und Spediteure beteiligt. Der CSU-Chef sieht die Personalie als "starkes Signal" für den Mittelstand und für den gesamten ländlichen Raum, aber auch gegen "radikale Tendenzen".

Felßner steht seit Oktober 2022 an der Spitze des Bayerischen Bauernverbands, im vergangenen Jahr wurde er zudem zum Vizepräsidenten des Deutschen Bauernverbands gewählt. Der 58-Jährige stammt aus Lauf an der Pegnitz in Mittelfranken und bewirtschaftet einen Milchviehbetrieb.
Wie der BR berichtet, sind von Söders Vorstoß nicht alle begeistert. So sei Josef Schmid, Landeschef der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), "empört" über die Idee, Felßner zum Agrarminister ernennen zu wollen. Er sehe darin einen Verstoß gegen die Satzung des Bauernverbands – konkret: das Gebot der politischen Unabhängigkeit.
Felßner soll Agrarminister werden: "Ich finde es dreist"
In Paragraf 5 der BBV-Satzung heißt es: "Der Bayerische Bauernverband wahrt als bäuerliche Berufsorganisation Unabhängigkeit von den politischen Parteien." Er pflege jedoch den Kontakt zu politischen Parteien, um die Belange der Landwirtschaft zur Geltung zu bringen. Auch der Deutsche Bauernverband will laut seinen Leitlinien "politisch unabhängig und im Austausch mit allen Parteien" arbeiten.
"Ich finde es schon ziemlich dreist, mit welcher Selbstverständlichkeit das übergangen wird", sagt der AbL-Landeschef, der unter Landwirten so etwas wie der Oppositionsführer gegen den mächtigen BBV ist, dem BR. Schmid warnt vor möglichen Interessenskonflikten bei Felßner. "Die Mindestforderung wäre, dass er sein Amt als Bauernpräsident ruhen lässt." Dem CSU-Vorstand gehört der Mittelfranke schon seit Monaten an, seit Jahren engagiert er sich für die Christsozialen in der Kommunalpolitik.
Noch schärfer kritisiert die ÖDP die Kür Felßners. Markus Söder orientiere sich an Donald Trump, heißt es in einer Stellungnahme der Partei, wie die Pegnitz-Zeitung berichtet. Mit dem Bauernpräsidenten sei ein "verurteilter Umweltverschmutzer" zum Agrarminister auserkoren, so die Partei mit Blick auf den 2018 gegen Felßner erlassenen Strafbefehl wegen Gewässer- und Bodenverunreinigung.
Felßner selbst sieht, laut BR, "überhaupt keinen Interessenskonflikt" auf sich zukommen. Die "Mitgestaltung demokratischer Prozesse" sei von jeher "ureigenste Aufgabe" des BBV, der seine Mitglieder zum politischen Engagement in Parlamenten ermutige. "Diese Dinge muss man und kann man ganz sauber trennen", betont er auf BR-Anfrage. Solange er kein Minister sei, werde er sein Präsidentenamt "in gewohnter Weise ausüben".
Verständnis zeigt die SPD-Agrarexpertin im Europaparlament, Maria Noichl: Verbände verpflichteten sich häufig dazu, neutral zu bleiben. Mitglieder dieser Verbände müssten dies aber nicht sein – auch Felßner nicht. Selbst einen Wechsel des BBV-Präsidenten in die Bundesregierung hielte Noichl für einen "normalen Vorgang" – sofern er dann seine Spitzenposition im Verband abgebe.
Grünen-Landeschefin Gisela Sengl hält dagegen: "Die Nominierung von Günther Felßner als Bundeslandwirtschaftsminister widerspricht komplett der Satzung des Bayerischen Bauernverbands", sagt sie und verweist auf das Neutralitätsgebot. Wenn sich ein Bauernpräsident als CSU-Minister nominieren lasse, sei das "alles andere als politisch neutral".
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