
Kommentar
Von der APO ins Parlament: Gelingt der FDP das Zauberkunststück ein zweites Mal?
War das nun die Beerdigungsfeier für eine der traditionsreichsten deutschen Parteien, von der wir bald nur noch in den Geschichtsbüchern lesen werden? Oder war es der mühsame Beginn eines Wiedereinzuges in die Parlamente der Bundesrepublik? Schwer zu sagen, was auf den gerade beendeten FDP-Bundesparteitag in Berlin zutrifft. Es gibt gute Gründe für beide Ansichten.
Das wohl wichtigste Argument für eine Rückkehr der Liberalen aus der außerparlamentarischen Opposition in den Bundestag: Sie hat das Kunststück schon einmal, nämlich 2017, geschafft. Der Beweis, dass es geht, ist also geführt. Angesichts einer immer stärker wechselbereiten Wählerschaft, die AfD, Linke und BSW groß gemacht hat, kann auch die FDP auf ein Revival hoffen. Es gibt ja noch Bastionen in einigen Städten, in Landtagen und im Europaparlament.
FDP: Die beiden Christians
Das wichtigste Gegenargument: Christian Dürr hat neben dem Vornamen mit Vorgänger Christian Lindner nicht allzu viel gemeinsam. Ihm fehlt, obwohl etwa gleichalt, die Agilität des langjährigen Vorsitzenden, der beim Wiedereinzug 2017 eine junge, durchaus freche FDP verkörperte. Mit seinem Auftreten schuf sich Lindner zwar viele Gegner, denen all das, was er sagte, zu neoliberal und nassforsch war.
Aber den Liberalen reicht es ja, souverän die Fünf-Prozent-Hürde zu überschreiten. Sie wollen und müssen nicht jedermanns Darling sein. Wichtig ist es für sie, eine bestimmte Klientel an Unternehmern, Selbständigen und freisinnigen Befürwortern des Wettbewerbs zu erreichen. Bestenfalls noch in Verbindung mit Vertretern der kaum noch sichtbaren bürgerrechtlichen Richtung. Das gelang während der Ampel-Zeiten erkennbar nicht.
Im Gespann mit zwei linken Parteien konnte die FDP nicht erfolgreich sein und verstolperte zudem auch noch viele Chancen, zum Beispiel bei ihrem Abgang aus der Regierung. Den hätte sie viel früher, offensiver und transparenter einleiten müssen.
Christian Lindner ist, man glaubt es kaum, erst 46 Jahre alt. Trotzdem mischte er bereits ein Vierteljahrhundert in der Berufspolitik mit. Jetzt ist er als als Spitzenkraft im Berliner Politikbetrieb Geschichte. Er wird sich als Redner und Publizist, vielleicht auch als Manager versuchen - und vermutlich kein Wiedergänger à la Sahra Wagenknecht werden.
Die FDP muss weg vom Image der Männerpartei
Erfolgversprechend ist es, dass sich die FDP darum bemüht, vom Image der Männerpartei wegzukommen. Mit Susanne Seehofer, Svenja Hahn, Nicole Büttner und Lydia Hüskens besteht fast die Hälfte des Präsidiums aus überwiegend jungen Frauen. Wenn sie es schaffen, authentisch über die liberale Idee zu sprechen und das auf den geeigneten Kanälen tun, dann könnte es etwas werden.
Das beste Vorbild dafür ist Heidi Reichinnek von den Linken, die ihrer Partei von heute auf morgen ein anderes, besonders für viele junge Menschen sympathisches Gesicht verlieh. Über dieses Potenzial verfügt, wenn auch in anderer weltanschaulicher Ausprägung, die FDP ebenso.
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