Tod des Söldner-Führers

Was für ein Zufall: Putin ist Prigoschin wohl los. Aber was heißt das für Russland?

Alexander Jungkunz

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24.8.2023, 11:00 Uhr
Sie waren einst Verbündete: Jewgeni Prigoschin und Wladimir Putin.

© Alexei Druzhinin, dpa Sie waren einst Verbündete: Jewgeni Prigoschin und Wladimir Putin.

Zwei Monate. Exakt zwei Monate: So lange überlebte Jewgeni Prigoschin offenbar seinen unerhörten Affront gegen seinen Ziehvater Putin. Am 23. Juni hatte der Söldner-Führer schon beinahe Moskau erreicht - und zog dann doch ab. Der Vorgang war für den Herrn im Kreml ein Desaster: Vor aller Welt wurde sichtbar, dass sein Imperium verwundbar, seine Macht angreifbar ist. Vorübergehender Kontrollverlust - das kann sich ein Diktator nicht bieten lassen.

Und die meisten Kommentatoren schrieben damals: Das wird Prigoschin nicht lange überleben. Hier hieß es nach dem Beinahe-Putsch: "Auf sein Leben sollte man wohl keine größeren Beträge wetten: Wer zurückblickt, wie Putin mit Gegner und Verrätern - und als solchen hatte er Prigoschin in seiner zornerfüllten Rede bezeichnet - umgeht, sieht da eine blutige Spur."

Spekuliert wurde, ob "Putins Koch" - der mit dem Kremlchef aufstieg - von einem Balkon, aus einem Fenster, von einem Schiff ins Meer stürzen oder vergiftet werden könnte. Das sind die gängigen Methoden Putins, Gegner loszuwerden. Nun war es wohl ein Abschuss - exakt zwei Monate nach Prigoschins Coup. Laut Passagierliste war neben ihm auch sein Vize Utkin an Bord. Beide sind offenbar tot, damit ist Putin - egal, ob er dahintersteckt oder nicht - erst mal ein Problem los: unberechenbare Anführer wichtiger Truppen.

Putin braucht Söldner für die Drecksarbeit - und Rohstoffe

Putin brauchte und braucht Söldner wie die Wagner-Gruppe für die Drecksarbeit, die nicht direkt ihm zurechenbar sein soll. In Afrika sorgen die Kämpfer mit allen Mitteln dafür, dass Staaten auf Russlands Seite wechseln - und Moskau, schöner Nebeneffekt, so an begehrte Rohstoffe kommt. Möglich, dass Putin die Wagnerianer - die er weiter braucht - nun enger an "sein" Militär binden will, um das Risiko neuer Alleingänge zu vermeiden. Der Tod der Wagner-Doppelspitze sendet auf jeden Fall ein unmissverständliches Signal: Leg dich nicht mit Putin an - du wirst es nicht überleben.

Oder mit lebenslanger Haft bezahlen, die Folter gleichkommt. Diese Methode wendet Putin bei Alexej Nawalny an, nachdem der Giftanschlag auf ihn gescheitert war. Ab und zu wird der prominenteste von Zigtausenden politischen Häftlingen Russlands dann in Schauprozessen dem Volk und der Welt vorgeführt - brutaler kann ein Diktator seine Macht nicht zeigen.

Stalin als Vorbild

Putins Herrschaft basiert auf Terror gegen Feinde und permanenter Angst. Immer offener bekennt er sich - auch in neuen, auf sein Imperium zugeschnittenen Geschichtsbüchern für Russlands Schüler - zu Stalin als seinem eigentlichen Vorbild.

Den Krieg gegen die Ukraine weitet er aus. Irgendwelche Signale für ein Ende sendet er nicht. Sie passen auch nicht zu seinen imperialen Plänen, bei denen er keinen Widerspruch duldet. Und nun mögen all jene, die aus verständlicher Friedenssehnsucht auf Verhandlungen mit Putin setzen, doch mal erklären: Wie, bitte, soll das gehen?

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