BSW-Chefin stellt neue Bedingungen

Was will Sahra Wagenknecht - pragmatische Politik ermöglichen oder Russlands Interessen vertreten?

Alexander Jungkunz

Chefpublizist

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21.10.2024, 12:05 Uhr
Sie knüpft eine Koalition in Thüringen an neue Bedingungen: Sahra Wagenknecht.

© Kay Nietfeld/dpa Sie knüpft eine Koalition in Thüringen an neue Bedingungen: Sahra Wagenknecht.

Die "Brombeere" ist noch nicht reif: Das Bündnis aus Rot, Schwarz und Lila (fürs BSW) stand vor dem Start zu echten Verhandlungen, da zeigten sich kurze Zeit später die Fronten, die aktuell vor allem durch das Bündnis Sahra Wagenknecht gehen.

Die Thüringer Spitzenkandidatin Katja Wolf würde gern in eine Koalition gehen und Verantwortung (und auch Posten) übernehmen. Sie setzt sich eindeutig von der AfD ab. Sahra Wagenknecht, die das BSW zentral steuern will, liebäugelt offenbar eher mit der Duldung einer CDU-SPD-Minderheitsregierung und schließt Mehrheiten gemeinsam mit der AfD gegen eine solche Koalition nicht aus.

Zwischen Pragmatismus und populistischer Profilierung

Katja Wolf war sichtlich nicht erfreut über Wagenknechts Intervention vom Wochenende: Die BSW-Chefin verlangt von der Thüringer CDU nicht weniger als die Distanzierung von ihrem Bundesvorsitzenden Friedrich Merz - eine Zumutung, die eine Partei eigentlich nicht auf sich nehmen kann, die zu Recht stolz ist auf ihre Grundausrichtung. Zu der gehören die Westbindung, die Einbindung in Bündnisse wie Nato und EU und die Bereitschaft, auf Herausforderungen wie Putins Russland auch mit militärischen Mitteln zu reagieren. All das stellt Wagenknecht in Frage.

Und mit ihrer neuen Bedingung auch die angepeilte Brombeer-Koalition in Erfurt. Grund ihrer Forderung war die Rede von Merz im Bundestag, die Wagenknecht für "entsetzlich" hielt - weil der CDU-Chef verlangte, was die Bundesregierung bisher nicht wagt: den Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern freizugeben. Kanzler Scholz kritisierte das als "Eskalationslogik", man kann Merz‘ Forderung sehr wohl kritisch sehen.

Aber: In der Thüringer Koalition geht es nullkommanull um Außenpolitik. Die Verknüpfung, die Wagenknecht will, ist daher inhaltlich unsinnig und rein parteitaktisch: Sie will das Label "Friedenspartei" für ihr BSW exklusiv haben.

Russland sieht das BSW als willkommenen Partner

Ein Kurs, der in Russland gut ankommt. Kürzlich wurde ein Strategiepapier aus dem Umfeld des Kreml bekannt. Darin heißt es, vor allem im Osten Deutschlands müsse der Druck verstärkt werden, "um die Angst deutscher Bürger vor einem möglichen Konflikt zwischen der NATO und der Russischen Föderation zu schüren". Dafür sorgt neben der AfD vor allem das BSW, das in Putins Umgebung als Partner gesehen wird.

Kein Wunder: Wagenknecht fordert viel von der Ukraine oder der Bundesregierung, aber kaum etwas von Russland. Es interessiert sie nicht, wenn der BND-Chef feststellt: "Der Kreml sieht den Westen und damit auch Deutschland als Gegner." Russland werde spätestens ab Ende des Jahrzehnts in der Lage sein zu einem Angriff auf den Westen.

Aktuell läuft dieser Angriff längst - digital, mit Propaganda, psychologisch. Sahra Wagenknecht forciert die Verunsicherung, auf die Moskau setzt. Die CDU und auch die SPD müssen genau überlegen, ob sie solchen Positionen entgegenkommen. Und die Pragmatiker im BSW sollten prüfen, was sie sich von der Chefin alles zumuten lassen wollen.

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