Bilanz des Sommers 2023

Wenn der Klimawandel zuschlägt - und das kaum jemanden interessiert

Alexander Jungkunz

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21.9.2023, 16:47 Uhr
Verheerende Schäden: In Libyen richteten die extremen Regenfälle Verwüstungen an, viele Menschen starben.

© IMAGO/Hamza Turkia, IMAGO/Xinhua Verheerende Schäden: In Libyen richteten die extremen Regenfälle Verwüstungen an, viele Menschen starben.

„Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß“ - so beginnt Rainer Maria Rilkes Gedicht „Herbsttag“, entstanden 1902.

Der Sommer 2023, der jetzt kalendarisch zu Ende geht, war sehr, sehr groß. Mächtig. Oft gefährlich, teils tödlich: Es war weltweit der heißeste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen. Die globale Durchschnittstemperatur von Anfang Juni bis Ende August lag bei 16,77 Grad - 0,66 Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020 und auch höher als im bisherigen Rekordjahr 2019 mit 16,48 Grad.

Und die Hitze hatte, wie es aussieht, gravierende Folgen: Klima-Experten sind sich im Falle der meisten Wetter-Extreme dieses Rekordsommers einig, dass die Erderwärmung dabei eine beschleunigende Wirkung hat. Wir erlebten Waldbrände unbekannten Ausmaßes in Kanada oder in Griechenland; dort ergossen sich ein paar Wochen später ungeheure Regenmengen. Ebenso nun in Libyen mit verheerenden Folgen, vielen Toten.

Ozeane mit Badewannen-Temperaturen

Die unerwartet heftige Erwärmung der Meere - teils mit Badewannen-Temperaturen - dürfte ein Faktor sein, der dafür sorgt, dass die Niederschläge derart dramatisch ausfallen. Wenn sie dann auf ausgetrocknete, schwer aufnahmebereite Böden oder teils marode Staudämme (wie in Libyen) stoßen, dann nimmt die Katastrophe ungehindert ihren Lauf.

„Unser Klima implodiert schneller, als wir mit extremen Wetterereignissen, die jeden Winkel des Planeten treffen, fertig werden können“, sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres zu den Wetter-Daten 2023. So ist es. Aber: Das Interesse der Politik an dem Thema scheint zu sinken - und die öffentliche Aufmerksamkeit ebenso.

"It's the climate, stupid", müsste es heute heißen

In Wahlkampf-Auftritten sprechen Politiker dieser Tage offen davon, dass es eine andere Gewichtung brauche; wir hätten zuletzt zu viel Wert auf die Ökologie, aufs Klima gelegt, nun sei Vorfahrt für die Wirtschaft nötig. Hubert Aiwanger tat gerade bei einem TV-Auftritt so, als sei es offen und letztlich auch egal, ob Bayern seine Klima-Ziele erreiche - die immerhin in einem Gesetz festgeschrieben sind. Solche Reden sind fahrlässig, solche Thesen sind eine gängige, aber folgenreiche Fehleinschätzung: Je ungebremster die Erderwärmung, desto gravierender die Schäden, die auch Unternehmen treffen.

„It‘s the ecomomy, stupid“, es kommt auf die Wirtschaft an, Dummkopf - ein legendärer Wahlslogan von Bill Clinton. Er müsste nun, angesichts der unübersehbaren Folgen des Klimawandels, mindestens ergänzt, wenn nicht umgeschrieben werden: „It‘s the climate, stupid“ - es kommt aufs Klima an.

Augen zu? Hilft nicht!

Die Schäden durch die Erderwärmung werden offensichtlicher, die volkswirtschaftlichen Kosten steigen umso mehr, je weniger wir gegensteuern: Hitze ist für Senioren eine tödliche Gefahr, Ernten werden bedroht, neue, aggressive Tierarten breiten sich auch in Europa aus und könnten Krankheiten verbreiten, die bisher als tropisch, also weit entfernt, galten. Die Folgen der Wetterextreme waren 2023 augenfällig - es sei denn, man verschließt seine Augen. Ratsam ist das nie.

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