
Kommentar
Wenn Polit-Kabarett ins Schwarze trifft: Ein anderer Umgangston ist dringend geboten
"Politik ohne Umweg übers Hirn direkt ins Bauchgefühl. Baue deine eigenen Feinde und präsentiere dich als Erlöser eines selbst geschaffenen Problems. Und der Markus hat selbst geschaffene Probleme en masse." So kräftig hat Maximilian Schafroth, aus dem Allgäu stammender Kabarettist, während seiner Fastenpredigt auf dem Nockherberg gegen den bayerischen Ministerpräsidenten ausgeteilt. Markus Söder fand es nicht sonderlich lustig, permanent im Mittelpunkt zu stehen.
Das ist zunächst verständlich. Wer will schon vor laufenden Kameras eine ganze Salve wenig schmeichelhafter Aussagen über sich ergehen lassen? Man darf dem CSU-Chef durchaus Nehmer-Qualitäten attestieren, die Fastenpredigt zählt gewiss zu den schwereren Routineterminen seines Politjahres. Und doch wäre es schade, würde Söders Gattin recht behalten. Karin Baumüller-Söder taxierte die Ärger-Phase ihres Ehemanns auf eine halbe Stunde. Danach sei alles vergessen.
Zu wünschen wäre Söder eine Phase des Reflektierens
Zu wünschen wäre Söder vielmehr eine Phase des Reflektierens, des Sich-infrage-stellen. Zwar ist beim Politiker-Derblecken nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, doch aus der Luft gegriffen waren die dort getroffenen Aussagen nun auch wieder nicht. Man mag zwar über Schafroths Art, Kritik zu üben, streiten, doch inhaltlich hat der 40-Jährige viele wunde Punkte zurecht angesprochen: Ist es - Wahlkampf hin, Wahlkampf her - tatsächlich angemessen gewesen, Demokraten, nur weil sie einer anderen Partei angehören, derart heftig zu beschimpfen wie dies Söder etwa mit Robert Habeck getan hat? Diese Leitfrage sollten sich die Unionsstrategen ebenso stellen wie alle anderen, die im hinter uns liegenden Bundestagswahlkampf über die Stränge geschlagen haben.
Denn am Ende, das war beim Singspiel auf dem Nockherberg gut nachzuvollziehen, würden davon nur die schwarzen Reiter der AfD profitieren. Deren politisches Geschäftsmodell fußt auf einem permanenten Unterlaufen der üblichen Anstandsregeln. Wenn nun dieser Anstand auch von den Vertretern der Mitte, die bei jeder Gelegenheit betonen, sich vom AfD-Wording zu unterscheiden, missachtet wird, wird es immer schwieriger, das Unterscheidungsmerkmal zu den Rechtspopulisten aufrecht zu erhalten.
Genau darauf wird es in den kommenden vier Jahren aber ankommen. Denn der neue Bundestag, zu mehr als einem Fünftel mit AfD-Abgeordneten besetzt, wird regelmäßig an eben jener Weichenstellung stehen, wo die Wortwahl den Unterschied ausmacht. Und die passenden Worte zu finden, das ist in den vergangenen Monaten nicht allen gelungen. Schafroths finale Empfehlung gilt umso mehr: "Gott gab uns den freien Willen. Die Freiheit, an diesem Abend zu entscheiden, ob wir den Weg der Versöhnung gehen, den Weg der Vergebung, oder den des Leids und der Vergeltung. Die Entscheidung liegt bei euch." Es ist eine Entscheidung, die auch viel mit dem Ausgang der nächsten Wahlen zu tun haben dürfte.
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